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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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Befreiung eines Unschuldigen oder die Durchkreuzung der Pläne der Druiden. Er hätte es wissen müssen. Vor vier Jahren war ihr Vater, der die Untergrundbewegung ins Leben gerufen hatte, in Andra’graco gestorben. Damals war es ihnen nicht gelungen, ihn zu befreien. Rowena war zu diesem Zeitpunkt gerade vierzehn Jahre alt gewesen.
    „Wie? Die Druiden misstrauen mir jetzt schon und Brochius lässt mich nicht aus den Augen. Und dann“, fügte er mit einem unglücklichen Lächeln hinzu, „bin ich nicht gerade unauffällig.“ Demonstrativ fuhr er mit der Hand durch sein blondes Haar, eine Seltenheit bei den Brochoniern.
    „Nun, zuerst bitte ich unseren Onkel darum, das Gefängnis besichtigen zu dürfen. Du sorgst dafür, dass mich einer unserer Verbündeten begleitet. Irgendwie wird es uns gelingen, bis zur Zelle des Kandari vorzudringen. Gleichzeitig starten wir ein Ablenkungsmanöver in einem anderen Teil des Gefängnisses. Wir befreien den Elfen und verschwinden, bevor sie überhaupt bemerken, dass es nur eine Täuschung war.“
    Kopfschüttelnd hörte er ihr zu: „Weißt du, wie viel dabei schiefgehen kann?“
    Rowena sah ihn flehend aus ihren braunen, ausdrucksvollen Augen an, bis er schließlich nachgab.
    „Wenn du dir ganz sicher bist, dass du das tun willst, werde ich dafür sorgen, dass Collyn dich begleitet. Er ist unser treuester Verbündeter innerhalb der Armee. Heute ist der dreizehnte Tag des neunten Monats. Wir befreien ihn in vierzehn Tagen. Oder sterben bei dem Versuch.“
     
    Groß und leuchtend ging die Sonne am Abend des fünfzehnten Tages des Monats Novénia hinter Arida unter. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten die weißen Straßen, die menschenleeren Plätze der Stadt der Könige in ihr blutrotes Licht. Alles wirkte sehr ruhig und friedlich. Doch die Stille täuschte, das wusste Julius, der auf der Freitreppe des Palastes saß. Die Moral hatte ihren Tiefpunkt erreicht und mit jedem Tag, der verging, wurde die Stimmung gereizter. Fünf Monate waren seit Beginn des Krieges vergangen, fünf Monate des Schreckens, der ständigen Angst und der Einsamkeit. Ein Großteil der Männer war seit Anfang an in Arida und sie hatten in all der Zeit nicht ein einziges Mal ihre Familien besuchen dürfen. Die meisten wussten nicht einmal, wo ihre Angehörigen waren oder ob ihre Frauen und Kinder überhaupt noch lebten. Und noch immer war kein Ende der Kämpfe in Sicht. Erst vor wenigen Tagen hatte es einen Angriff auf die Grenze von Firanien gegeben, den die Anorianer abgewehrt hatten. Zwar hatten die Brochonier ihr Ziel nicht erreicht, jedoch hatten sie den Menschen nur allzu deutlich vor Augen geführt, dass es noch lange nicht vorbei war.
    Dazu kam für die Soldaten der Garde und die vielen Männer, die man zum Wehrdienst verpflichtet hatte, noch der eintönige Alltag. Immer das Gleiche, Waffenübungen, Besprechung der Strategie und unendliche Langeweile, während sie auf den vielleicht tödlichen Angriff warteten. Tag für Tag genau der gleiche Ablauf, dieselben Gesichter. Inzwischen lag, egal wohin man sich wandte, eine unerträgliche Spannung in der Luft. Es hatte mehrere Schlägereien und sogar ein paar ernsthaft Verletzte gegeben und das allein in den letzten Tagen. Patricias Verrat hatte die Situation derart eskalieren lassen. Und bereits jetzt zeichneten sich neue Probleme ab.
    Julius seufzte und stützte den Kopf in die Hand. Auch er hatte den Schock über den Verrat seiner Mutter noch nicht vollständig überwunden. Er erfüllte seine Pflichten so gewissenhaft wie nur möglich und er versuchte, Vergessen in seinen Aufgaben zu finden, solange bis jeder Augenblick zur Qual wurde. Ständig spürte er die wachsamen und forschenden Blicke seiner Umgebung auf sich ruhen. Sie suchten nach Zeichen einer Veränderung, vielleicht fürchteten sie auch, er würde dem Beispiel seiner Mutter folgen. Möglicherweise beobachtete einfach jeder sein Umfeld so wachsam, Julius wusste es nicht. Jedenfalls fand er nicht die Erfüllung in seiner Arbeit, die er sich erhofft hatte. Seine frühere Wissbegier und seine unerschütterliche Fröhlichkeit waren unwiederbringlich vergangen. In den Momenten, in denen ihm alles unerträglich erschien, kam er hierher und blickte auf die Stadt herab. Zumindest störte ihn hier niemand in seinen Gedanken.
    Umso überraschter war er, als er jetzt leise Schritte hörte. Ohne wirkliches Interesse sah er sich um und erblickte Larenia, die hinter ihm stand und mit hochgezogenen

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