Das Vermächtnis der Wanderhure
hinausschrie. Er versuchte, seine Gedanken auf die Pflichten zu lenken, die der Pfalzgraf ihm aufgetragen hatte, doch nach kurzer Zeit kreisten sie um Maries Ehemann Michel Adler.
Schon seit Wochen versuchte der Kaiser, eine reiche Erbin für den geadelten Wirtsschwengel zu finden, aber seine Bemühungen waren bis jetzt vergeblich gewesen. Sigismund ahnte nicht, dass er, Lauenstein, hinter all den Absagen und ausgeschlagenen Einladungen steckte, denn er hatte die ins Auge gefassten Familien frühzeitig gewarnt. Bislang war es ihm ein höllisches Vergnügen gewesen, diesen Adler durch seine Intrigen fühlen zu lassen, wie sehr der wahre Adel ihn als Emporkömmling verachtete. Dieses Spiel musste nun jedoch ein Ende haben. Wenn der Kaiser von seinen Machenschaften erfuhr, konnte er sich dessen Ungnade sicher sein und der seines eigenen Herrn dazu. Schließlich hatte Pfalzgraf Ludwig ihn hierher nach Nürnberg geschickt, um sich Sigismund geneigt zu machen, und nicht, um den Kaiser gegen sich aufzubringen.
Für das Problem, das er sich selbst eingebrockt hatte, gab es nur eine einzige Lösung. Er selbst musste dafür sorgen, dass sich eine Braut für diesen Wirts-Adler fand. In Lauenstein kochte bei dieser Vorstellung heiße Wut hoch, denn nun musste er bei einer der hohen Familien für diesen Gassenschenk betteln gehen. Mit der Tochter eines einfachen Ritters oder gar des Inhabers eines Afterlehens würde der Kaiser sich nicht zufrieden geben, und es war schier unmöglich, eine der hohen Familien wie die Bentheim, Erbach oder Ysenburg dazu zu bringen, eine ihrer Töchter zu opfern. Während er sich noch Vorwürfe machte, diese Intrige gegen Adler angezettelt zu haben, durchfuhr es ihn wie ein Blitz. Es gab ein passendes Mädchen, und es würde nicht schwer sein, dessen Vater für diese Ehe zu begeistern. Von neuer Zuversicht undklammheimlicher Schadenfreude beseelt, sprang Lauenstein auf und eilte zur Tür.
Sofort kam einer der Diener, die draußen auf Befehle der Gäste warteten, auf ihn zu. »Ihr wünscht, Herr?«
»Weißt du, ob Ritter Kunner von Magoldsheim in Nürnberg weilt?«
Der Mann schüttelte den Kopf, erklärte aber wortreich, sich erkundigen zu wollen.
»Dann tu es und schwatze hier nicht herum! Wenn Herr Kunner anwesend ist, bringe ihn sofort zu mir, verstanden?«
»Jawohl, Herr!« Der Diener drehte sich um und rannte den Gang hinab, als wären scharfe Hunde hinter ihm her. Rumold von Lauenstein kehrte in seine Kammer zurück, füllte sich einen weiteren Becher Wein und spürte, dass dieser ihm besser mundete. Ritter Kunners Tochter war genau die Frau, die er Michel Adler vergönnte.
Bis er Nachricht erhielt, vertrieb Lauenstein sich die Zeit damit, sich möglichst genau an den Skandal zu erinnern, den Magoldsheims Tochter Schwanhild verursacht hatte, und je mehr Einzelheiten ihm einfielen, umso zufriedener war er mit seiner Wahl. Sogar seine Tochter würde nichts gegen diese Verbindung einzuwenden haben, denn weder gewann der Wirtsschwengel mit ihr die Unterstützung einer mächtigen Sippe, noch konnte er sein Ansehen steigern. Kunner von Magoldsheim war ein freier Reichsritter, verfügte aber nur über einen kleinen Besitz. Seine Tochter konnte jedoch auf eine stolze Ahnenreihe zurückblicken, denn ihre Mutter stammte aus einer Nebenlinie des Hauses Wittelsbach. Diese hatte die Heirat mit dem damals noch schmucken Ritter gegen den Willen ihres Vaters ertrotzt und mit ihrer Familie gebrochen. Zwar würden Michel Adlers Nachkommen das Rautenwappen der Bayern auf dem Schild tragen dürfen, aber als nutzlose Zier, die ihnen keinerlei Vorteile verschaffte.
Lauenstein schwelgte so in seinem neuen Plan, dass ihn das Pochen an der Tür hochschrecken ließ. Er forderte zum Eintreten auf und seufzte im ersten Augenblick enttäuscht, denn es erschien nur sein Leibdiener. Dieser wies jedoch nach draußen.
»Ritter Kunner von Magoldsheim wird gleich eintreffen. Mir wurde gesagt, Ihr wollt ihn empfangen.«
»Das will ich!« Lauenstein ignorierte die Neugier seines Dieners und befahl ihm, für eine kräftige Brotzeit und frischen Wein zu sorgen.
In jenen Tagen auf der Otternburg war der Knecht Zeuge von Vorgängen geworden, die absolut geheim bleiben mussten, und wenn der Mann auch nicht alles wusste, so nahm er sich seitdem doch viel zu viel heraus. Lauenstein konnte ihn jedoch nicht wegschicken und durch einen devoteren Diener ersetzen, dann hätte der Kerl aus Rachsucht alles ausgeplaudert. Am liebsten
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