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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Verleumderin und hat die strengste Strafe verdient. Sie gehört gebrandmarkt und ausgepeitscht, und die Zunge muss ihr abgeschnitten werden!«
    Michel fuhr die Frau scharf an. »Ich sagte, ich spreche hier das Urteil. Aufgrund ihrer Jugend soll Mariele ihre Zunge behalten. Sie erhält zehn Stockhiebe, und es soll das Brandeisen heiß gemacht werden.«
    »Aber ich lüge doch nicht!« Mariele begriff jetzt erst die Wendung, die die Angelegenheit für sie genommen hatte, und blickte Michel verzweifelt an.
    Michi stöhnte und überlegte verzweifelt, wie er seiner Schwester helfen konnte. Der Blick in Michels Gesicht machte ihm wenig Mut, denn es wirkte wie aus Stein gemeißelt.
    »Das Urteil wird morgen bei Sonnenaufgang vollstreckt.« Mit diesen Worten wandte Michel sich ab und ging mit langen Schritten davon.
    In einem heftigen Zwiespalt gefangen blieb Michi zurück. Marielesah aus, als brauche sie dringend seinen Trost, doch er hatte keine Zeit, sich um sie zu kümmern. Wenn er etwas erreichen wollte, musste er versuchen, in Ruhe mit seinem Patenonkel zu sprechen. Während zwei Mägde auf Germas Geheiß Mariele packten und in eine abschließbare Kammer schleiften, in der sie bis zum nächsten Morgen bleiben sollte, rannte der Junge hinter Michel her.
    Er suchte ihn zuerst in seinen privaten Räumen, doch der Burgherr hatte sich nicht wie gewohnt umgezogen, sondern in seiner staubigen Reitkleidung auf seinem Hochsitz in der Halle Platz genommen. Nun starrte er gegen die noch immer kahlen Wände. Marie hatte so viele Ideen gehabt, wie man dem hohen, abweisend wirkenden Raum ein angenehmeres Aussehen verleihen könnte. Doch sie war tot, und ihre Nachfolgerin schien mit dem zufrieden zu sein, was sie hier vorgefunden hatte. Diese Frau war ein schlechter Tausch gewesen, auch ohne die üblen Gerüchte, die sich nun um sie rankten, dachte Michel bitter.
    Ein scharrendes Geräusch ließ ihn aufsehen. Michi stand vor ihm, hielt die Mütze wie ein Bittsteller in beiden Händen und sah so verzweifelt aus, dass er ihn am liebsten an sich gezogen und getröstet hätte. Doch der Schwur des Junkers machte ihm dies unmöglich.
    »Darf ich etwas sagen, Herr?« Selten hatte Michi so förmlich zu seinem Patenonkel gesprochen.
    Die Hilflosigkeit des Jungen tat Michel in der Seele weh, vor allem, weil er ihm nicht helfen konnte. »Du kannst jederzeit mit mir reden, Michi.«
    »Mariele ist keine Lügnerin, Herr. Sie hat sich diese Geschichten gewiss nicht aus den Fingern gesogen. Es weiß jeder auf der Burg, dass Frau Schwanhild dem Junker große Sympathie entgegenbringt. Es mag nicht so schlimm gewesen sein, wie Mariele es dargestellt hat, aber sie hat bestimmt etwas gesehen, was ihren Verdacht geweckt hat. Ich habe ihr ja gesagt, sie solle vorsichtigersein, aber …« Er brach ab, weil die Tränen zu sehr nach oben drängten.
    Michel rührte sich nicht, sondern blickte an dem Jungen vorbei auf die Wand. »Es war unvorsichtig von ihr, ihre Beobachtungen vor allen Leuten auszubreiten. Der Eid eines Ritters wiegt nun einmal schwerer als das Wort eines Mädchens. Daher kann ich ihr die Strafe nicht ersparen, sonst würden mich alle für schwach halten und glauben, sie könnten ungestraft meine Anweisungen ignorieren und die Gesetze brechen.«
    »Wenn Ihr es so seht, Herr, kann ich nichts mehr für meine arme Schwester tun. Wenn es vorbei ist, werde ich mit ihr nach Hause zurückkehren.« Michi verbeugte sich äußerst knapp und wollte die Halle verlassen.
    Da sprang Michel auf und packte ihn bei der Schulter. »Glaubst du, es macht mir Freude, deiner Schwester Schmerzen zufügen zu müssen? Sie ist immerhin Maries Patenkind, und ich habe sie ebenso wie dich als Kind auf meinen Knien geschaukelt. Ich werde Mariele Eva und Theres übergeben und ihnen ein Haus in einem meiner Dörfer einrichten lassen. Dort wird sie so erzogen werden, wie es sich für das Patenkind eines Ritters gebührt. Wenn sie erwachsen ist, werde ich ihr einen Bräutigam suchen und ihr die Hochzeit ausrichten, so wie es Maries Wunsch gewesen ist.«
    »Für eine Gebrandmarkte werdet Ihr wohl kaum einen passenden Ehemann finden. Nicht einmal ein Henker würde sie dann noch nehmen!« Michi hatte sich in Rage geredet, doch Michel lachte nur kurz auf.
    »Warte es ab! Jetzt lass mich allein. Ich muss nachdenken. Ach ja, suche Gereon und schicke ihn zu mir. Er soll das Urteil vollstrecken.«
    »Gereon?« Michi schauderte, denn der Krieger war einer der stärksten Männer auf der

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