Das Vermaechtnis des Caravaggio
die
erneuerungswillige italienische Fraktion zugeführt hat.“
„Das ist über ein Jahr her – und
jetzt bin ich Papst. Ich muss andere Ziele verfolgen. Mein letztes Wort: Brecht
Eure Unterstützung Caravaggios ab! Keine Bilder mehr, die dieser Säufer
geschmiert hat! Weder als Auftrag, noch als Ankauf!“
„Euer eigenes Bildnis scheint Euch
trotzdem zu gefallen!“
Scipione Borghese ließ einen
flüchtigen Blick über das Porträt aus dem Pinsel Caravaggios gleiten, das
lebensgroß hinter dem Schreibtisch hing und auf ihn herabblickte.
„Reizt mich nicht, Scipione!“
Die Zähne Camillo Borgheses
knirschten. Ein Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, das sich langsam zu
einem kaum erträglichen, körperlich fühlbaren Schmerz steigerte, der in
Scipiones Gehör hämmerte. Ärger schäumte in ihm. Er kochte, der Behandlung
wegen, die ihm sein Oheim angedeihen ließ. Musste er sich das gefallen lassen?
Er, Scipione Borghese? Lange genug hatte er sich zurückgehalten. Jetzt konnte
er nicht mehr verhindern, dass sich sein eigener Zorn entlud, der ihn hierher
getrieben hatte. Jetzt musste er sagen, was er dachte, jetzt musste er das
Schweigen brechen.
„Ich habe nur vergolten, was Eure
Heiligkeit mir selbst vorpraktiziert hat.“
Diesmal klang Scipiones Stimme
unversöhnlich und hart.
„Ihr habt zugelassen, dass dieser
... dieser Stümper Del Monte die letzten frei verkäuflichen Bilder Caravaggios
aufgekauft hat. Ihr habt ihm offenbar den Hinweis gegeben, dass Cavaliere
d’Arpino in Geldschwierigkeiten steckte, statt mich zu verständigen. Ihr wisst,
dass ich womöglich zum Kardinal nur wenig tauge, aber einen untrüglichen Sinn
für die Künste besitze. Und über diesen Caravaggio, bei allem Respekt, Eure
Heiligkeit, wird noch gesprochen werden, wenn Euer Name vergessen sein wird.“
Abrupt drehte sich Camillo Borghese
um und schlurfte mit schwerfälligem Schritt wieder hinter seinen Schreibtisch.
Schwer ließ er sich in den Sessel fallen. Atmete stoßweise.
„Ihr könnt es Euch nicht leisten,
werter Oheim, einen Mann wie Caravaggio fallen zu lassen. Seine Bilder mögen
von Del Monte, von den Brüdern Giustiniani, von den Gonzaga gesammelt werden,
den Weg ins Herz des Volkes aber finden sie beinahe von selbst. Die Römer
lieben ihren Schmierfinken und Säufer, weil er ihnen keine leblosen Heiligen
beschert, sondern Menschen ihres Standes.“
Sein Oheim saß, die Hände über dem
Bauch verschränkt, in seinem Lehnstuhl und betrachtete sich ganz offensichtlich
die Aufführung, das Theaterspiel, das sich vor ihm entrollte. Seine glatten
Gesichtszüge zerknitterten in kleine Fältchen.
Das Schreibzimmer, in dem sie beide
sich gegenüberstanden, explodierte in seinen Farben. Überall bunt gefleckter
Marmor, die Wände mit Fresken geschmückt, deren Bedeutung sich ihm gerade nicht
erschloss, Kerzenleuchter und in der Mitte ein schwerer Schreibtisch, dessen
Platte aus feinstem Carrara-Marmor geschnitten war. Zu viel Prunk, zu viel
Macht, zu viel Selbstherrlichkeit in den Dingen.
„Warum glaubt Ihr, ich könnte einen
Maler wie Caravaggio nicht fallenlassen? Wer ist Caravaggio? Die Malschulen
Italiens werden Männer wie ihn zu Dutzenden hervorbringen, wie sie in den
letzten Jahrzehnten Männer hervorgebracht haben wie Leonardo, Michelangelo und
Raffael.“
Bitterer Speichel floss Scipione in
den Mund. Die Selbstgefälligkeit seines Oheims schmerzte ihn. Mehr denn je
fühlte er, dass er sich von diesem Mann entfernte. Er war sein Oheim, – aber in
erster Linie war er Papst.
„ Für Euch war Caravaggio Mittel
zum Zweck – und jetzt stört er. Für mich ist er der bedeutendste Künstler
unserer Zeit.“
Camillo Borgheses Gesicht glänzte
vor Schweiß. Wasser lief ihm von der Stirn in die Augenwinkel, und er wischte
sich mit einem Seidentuch übers Gesicht, verharrte einen Augenblick mit
verdecktem Antlitz:
„Leider blieb er nicht auf dem
Marsfeld liegen! Ein bedauerlicher Umstand.“
Dieser Satz erschien Scipione so
ganz anders als all die Sätze, die sein Oheim sonst von sich gab. Ihm war, als
schwinge ein Bedauern darin mit, das einer festen Überzeugung gewichen wäre.
„Stellt Euch nicht gegen mich,
Scipione. Bestückt Eure Villa in den Pincio-Gärten mit Kunstwerken. Vergnügt
Euch mit ihnen. Aber lasst die Finger von Caravaggio. Er schürt die
Gegenreformation. Seine Bilder sind noch nicht offiziell für Ketzerei erklärt
worden, aber es ist zu erwarten. Ein entsprechendes Verfahren
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