Das Vermächtnis des Kupferdrachens ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Sonne nicht mindestens eine Handbreit über dem Horizont steht!«, knurrte Thunin unwirsch und versuchte, sein Pferd dazu zu bringen, so lange stehen zu blEiben, dass er in den Sattel steigen konnte. Rolana rieb sich die müden Augen, unter denen sich dunkle Ringe eingegraben hatten, umarmte Lamina ein letztes Mal und bestieg dann ihre Fuchsstute.
Alle Bewohner der Burg hatten sich im Hof versammelt, um die Gefährten zu verabschieden. Als die ersten roten Strahlen der Sonne die Berggipfel streiften, ritten die Freunde über die Zugbrücke hinaus. Lamina, Seradir und Vlaros standen oben auf den Zinnen und winkten den Freunden nach, bis sie zwischen den Hügeln verschwunden waren.
*
Nur mit dem Nötigsten an Gepäck ausgerüstet folgten die Gefährten Lahryn, der die Umgebung am besten kannte. Er führte den kleinen Trupp hinauf in die Berge, die scheinbar uneinnehmbar im Morgenlicht vor ihnen aufragten. Der Grund war felsig und stieg manchmal so steil an, dass sie die Pferde nur im Schritt gehen lassen konnten. Das dunkle Grün des Spätsommers wurde immer spärlicher, und am Nachmittag erreichten die Freunde eine Schlucht.
Lahryn zügelte sein Pferd und deutete auf den beängstigend schmalen Durchbruch zwischen den Felswänden. »Hier müssen wir durch. Die Schlucht führt uns hinauf zum Pass. Wir werden die Höhe nicht ganz meiden können, doch ich hoffe, der Weg ist um diese Jahreszeit noch frei. Wenn wir den Pfad um die Berge herum wählen, dann kostet uns das einige Tage.«
»Da du uns hierher geführt hast, ist die Entscheidung ja schon gefallen. Die Frage ist nur, bekommen wir unsere Pferde über den Pass?« Besorgt sah der Zwerg zu den schneebedeckten Gipfeln empor.
»Ich glaube schon. Wir werden sicher ab und zu absteigen müssen, doch wenn wir die Pferde am Zügel führen, geht es sicher.«
»Ich hoffe, du hast Recht«, nickte der Zwerg und trieb sein Pferd an, um Lahryn in die Schlucht zu folgen.
Steil stiegen die Wände in den grauen Himmel. Die Sonne war hinter dicken Wolken verborgen, und der Wind heulte sein seltsames Klagelied zwischen den zerborstenen Felsbrocken. Der Weg war steinig und schmal, und sie konnten nur noch im Schritt hintereinander reiten. Tiere und seltsame Monster, gebannt in ewigem Stein, vom Sturmwind geformt und vom Regen ausgewaschen, starrten die Freunde aus toten Augen an. Nur wenige Pflanzen trotzten den widrigen Bedingungen und krallten sich in den Spalten und Ritzen fest, um im Windschatten ein kärgliches Dasein zu fristen.
»In meinem ganzen Leben habe ich noch keine so gewaltige Landschaft gesehen. Wie klein wir Menschen doch sind, wie unbedeutend.«
Rolana sah sich staunend um und ließ den Blick zu den weißen Spitzen hochwandern. Selbst im Traum waren ihr die Berge nie so riesig und so schön erschienen. Nicht einmal die glühende Sommersonne konnte in diesen Höhen den Kampf gegen die Schneeriesen gewinnen. Zwar zogen sie sich für einige Monate auf die höchsten Gipfel zurück, spotteten dem Sommer aber von dort aus mit Hagelschauern und Schneestürmen.
»Ja«, stimmte Cay ihr zu. »Und ich hatte immer geglaubt, das endlose Meer sei der schönste Ort auf der Welt.«
Als die Schlucht sich weitete, zügelte Lahryn sein Pferd. Nur wenige Schritte vor ihm stürzten die Wände einer Felsspalte, die die Schlucht querte, in die Tiefe. Ein schmaler, steiniger Pfad führte zu ihrem Grund und an der anderen Seite wieder hinauf, doch er sah nicht aus, als wäre er für Pferde geeignet.
»Viel zu steil und zu schmal!« Ibis schüttelte den Kopf. »Hier kommen wir nicht weiter.«
»Lasst euch überraschen. Kommt!« Der alte Magier stieg ab, führte sein Pferd am Rand der Felsspalte entlang um eine vorstehende Felsnase herum und blieb dann stehen.
»Hier ist der Übergang. Etwas schwankend vielleicht, müsste aber halten.« Er zeigte auf eine Hängebrücke aus geflochtenen und verknoteten Seilen, deren schmale Bretter über den Abgrund führten. Sehr stabil sah sie nicht aus.
Thunin sprang vom Pferd. »Wir sollten die Brücke erst zu Fuß untersuchen. Ich bin mir nicht so sicher, ob sie ein Pferd aushält. Los, Ibis, du bist doch immer so abenteuerlustig. Sieh dir die Seile und Bretter an.«
»Stets zu deinen Diensten!« Ibis sprang vom Pferd, schlenderte zur Brücke, trat vorsichtig auf die Bretter und ging dann ein Stück über den tiefen Abgrund hinaus. Sie betrachtete die Seile genau und hüpfte dann ein paar Mal hoch, so dass die Brücke gefährlich hin-und
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