Das Vermächtnis des Kupferdrachens ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
wurde ein wenig blass, als er die Gräfin ängstlich ansah.
Lamina legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Du hast recht daran getan, die Menschen nicht dem Hunger auszusetzen. Wir werden auch ohne diesen Anteil zurechtkommen. Merkwürdig ist das allerdings schon. Ich habe nichts von Missernten aus dem Norden oder Osten vernommen, nur im Süden hat es zu wenig geregnet. Gab es einen Brand oder einen Überfall?«
Berlon zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, Gräfin.«
Lamina nahm sich vor, am Abend mit Vlaros darüber zu reden. Er wusste inzwischen über alles Bescheid, was in der Grafschaft vor sich ging. Vorerst jedoch schob sie diese Gedanken weg und musterte neugierig die hoch gewachsenen Pferde, die noch etwas scheu ihre neue Umgebung betrachteten.
»Berlon, wo habt ihr diese herrlichen Tiere her?«
»Drei Tagesreisen nördlich von hier, in einem Seitental des Silbergebirges, liegt das Gut der Chapons. Sie haben sich schon vor vielen Jahren auf die Pferdezucht spezialisiert und bauen in den Niederungen gerade so viel Getreide an, wie sie selbst brauchen. Deshalb bezahlen sie ihre Pacht mit jungen Pferden, meist zwei-und dreijährigen. Die meisten Pferde in Eurem Stall stammen aus dieser Gegend.«
Lamina strich einem der Tiere über die weichen Nüstern. Es schnaubte und warf den Kopf hoch. »Sind sie schon zugeritten?«
»Nein. Wir werden damit anfangen, sobald sie sich an ihre neue Umgebung gewöhnt haben.«
Lamina sah sich die Pferde genau an. »Meine Stute wird langsam alt. Ich nehme mir den jungen Fuchs dort drüben – den mit dem weißen Fleck auf der Stirn.«
»Gräfin, Ihr habt einen vortrefflichen Geschmack.« Cordon trat zu ihr und nickte erfreut. »Er ist der Beste! Man kann sein feuriges Temperament schon ahnen. Aber seid vorsichtig, Ihr müsst dem jungen Hengst gleich zeigen, dass Ihr die Herrin seid. Wenn Ihr es richtig anfangt, werdet Ihr einen Freund gewinnen, der Euch bis in den Tod folgt.«
Laminas Wangen glühten. »Ich werde ihn selbst zureiten.«
Cordon wiegte den Kopf. »Verzeiht, aber in Eurem Zustand würde ich Euch das nicht raten. Verlasst Euch ganz auf Aalon, er kann sehr gut mit Pferden umgehen. Wenn er dem jungen Hengst die Teufel ausgetrieben hat, könnt Ihr mit ihm zusammen trainieren.« Widerstrebend nickte die Gräfin.
*
»Du hast mich gerufen?« Vlaros streckte den Kopf zur Tür herein und sah Lamina fragend an.
»Ja, ich möchte dich etwas fragen. Setz dich doch.« Einladend wies sie auf den Sessel neben ihrem Schreibtisch. Sie erzählte ihrem jungen Hofmagier von der Not der Pächter in Dijol, von der Berlon ihr berichtet hatte.
»Was ist nun, wenn sie im Winter Hunger leiden müssen? Ist es nicht meine Pflicht, für meine Pächter zu sorgen? Vielleicht werden sie ja bedroht? Was hältst du davon, wenn ich dort nach dem Rechten sehe?«
»Ja, schick einen Trupp Männer hin. Mir ist nichts von einem Brand oder einem Überfall zu Ohren gekommen, und Missernten sollte es in diesem Jahr hier im Norden auch nicht gegeben haben. Vielleicht wollen sie dich nur um den Zehnt prellen und haben Vieh und Getreide versteckt. Ich würde ihnen nicht trauen.«
»Du gehst auch immer vom Schlechtesten aus! Jedenfalls möchte ich Bescheid wissen. – Ich hoffe nur, dass Seradir bald zurückkommt.«
»Du willst doch nicht etwa den Eiben hinschicken?!«
»Warum nicht? Ich habe vor, ihn zu fragen, ob er mich begleitet.«
»Du willst selbst reiten?«, rief Vlaros entsetzt. »Lamina, ich halte es für keine gute Idee, wenn du dir so eine anstrengende Reise aufbürdest. Nicht in deinem Zustand!«
»Ich weiß ja, dass du es gut meinst, doch mit deiner ewigen Fürsorglichkeit machst du mich noch ganz verrückt. Ich habe nicht vor, mich bis zum Frühling in einen Sessel am Ofen zu setzen und Tischdecken zu besticken. Der Winter kommt noch früh genug und sperrt uns alle hier ein. – Was bin ich für eine lausige Landesherrin! Seit Geralds Tod habe ich nicht einen Hof aufgesucht. Das wird sich jetzt ändern, und ich fange in Dijol an.«
»Dann fahr wenigstens mit der Kutsche. Nimm zehn deiner Männer zum Schutz mit, dann kannst du auf die Begleitung des Eiben verzichten.«
»Du hast mich falsch verstanden. Ich werde kein Gefolge mitnehmen, sondern nur mit Seradir reiten.«
»Das kannst du nicht machen«, stieß Vlaros gequält hervor. »Du kannst nicht unbegleitet mit einem Mann tagelang durch die Gegend reiten. Das ist für eine verwitwete junge Gräfin undenkbar.«
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