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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Manchmal lasse ich mich von meinen Gefühlen überwältigen.«
    »Das weiß ich«, sagte Martí lächelnd. »Aber erzählt mir, was Euch betrübt, und Ihr werdet sehen, wie Ihr mir einen Augenblick später das mit den Auberginen vorsingt und wir beide lachen.«

    Ruth stieß einen tiefen Seufzer aus.
    »Obwohl ich mich mein ganzes Leben mit Batsheva gestritten habe, tut es mir leid, dass ich nicht zu ihrer Hochzeit kommen kann. Als Esther geheiratet hat, war ich, wie meine Mutter sagte, ein kleines Mädchen, und sie haben mich zum Essen in die Küche geschickt, zusammen mit den Kindern unserer Verwandten, und nun, da ich eine Frau bin und die Aufgaben erfüllen könnte, die der Schwester der Braut zustehen, hindern mich die Umstände daran. Warum sind unsere Gesetze so schwierig?«
    »Ich verstehe Euren Kummer, und ich bedaure, dass es nicht in meiner Macht steht, dieses Problem zu lösen, aber Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass ich Euch alles haarklein berichte, was während der Zeremonie geschieht, und ich verspreche Euch, ich sorge dafür, dass Ihr Eure Schwester im Brautkleid sehen könnt.«
    Die Augen des Mädchens erstrahlten in einem besonderen Glanz.
    »Das tut Ihr für mich?«
    »Wenn es Euer Vater erlaubt, setze ich die Brautleute, bevor sie abfahren, in einen geschlossenen Wagen und bringe sie Euch her, damit Ihr Euch verabschieden könnt.«
    »Wenn Ihr das für mich tut, stehe ich mein ganzes Leben in Eurer Schuld.«
    Als das Mädchen diese Worte sagte, sprang sie schnell zu Martí, umschlang seinen Hals und bedeckte ihn mit Küssen.
    Die Musik Aixas erklang aus der Ferne, und als sie merkte, dass die Plauderei verstummt war, dachte sie vielleicht an ihre verlorene Jugendliebe zurück, änderte die Art ihres Vortrags und spielte eine liebliche Melodie aus ihrer fernen Heimat.
    Martís Blut begann zu kochen. Das Mädchen schmiegte sich an ihn, und als er unwillkürlich den Arm um ihren Rücken legte, spürte er ihre gertenschlanke Taille. Eine Fülle widersprüchlicher Gedanken befiel ihn: Der Körper, den er in den Armen hielt, war nicht der eines Mädchens, und in diesem magischen Augenblick erkannte er die Gefahr, die Ruths Anwesenheit bedeutete, wenn er den Schwur halten wollte, den er ihrem Vater geleistet hatte. Seine Lippen flüsterten: »Ruth, bei allem, was Euch am liebsten ist …«
    Die junge Frau wich kurz zurück und hauchte: »Was mir am liebsten ist, seid Ihr.«
    »Ich habe geschworen …«
    »Ich nicht.«

    Sein Herz klopfte schneller, und beinahe unbewusst erwiderte er die Liebkosungen des Mädchens. Die dunkle Wolke, die ihn seit Laias Tod unablässig verfolgt hatte, wich langsam zurück. Er umfasste Ruths schönes ovales Gesicht.
    »Auch ich …« Plötzlich gewann er seine Besonnenheit wieder. »Das darf nicht sein, Ruth … Ich bin durch den Schwur gebunden, den ich Eurem Vater geleistet habe. Macht die Dinge nicht noch schwerer.«
    Dann stand er auf und verließ das Zimmer. An seinem Gesicht spürte er, dass die Stellen, wo ihn die Lippen des Mädchens berührt hatten, heftig brannten. Noch war er von seinen eigenen Worten überrascht, die er beinahe vollständig ausgesprochen hätte, und ihn überwältigten seine Gefühle. Niemals hätte er geglaubt, dass er noch einmal lieben könnte.
    Unterdessen klangen die Melodien der Blinden in Ruths Ohren wie ein Ruhmeslied.
     
    Alle Gäste hatten sich um die Chuppah versammelt. Die sechs Musiker und der Chor stimmten das Lied des Hatan Tora an. Der Rabbiner hatte sich mit seinem Mantel bedeckt und trug die Gebetsriemen an der Stirn und um den linken Arm gewickelt. Geduldig wartete er darauf, dass die Braut am Arm ihres Paten erschien, während der Bräutigam zusammen mit seiner Mutter an einer Seite des Pavillons stehen blieb. Eudald Llobet und Martí hielten sich unauffällig im Hintergrund, denn sie wussten, dass es ihnen als Christen nur ausnahmsweise gestattet war, an einer jüdischen Hochzeitsfeier teilzunehmen. Llobet, der alle übrigen Anwesenden um eine Kopflänge überragte, erklärte: »Sie kommen.«
    Der Brautzug näherte sich mit der wunderschönen Batsheva an Baruchs Arm, ihr folgten ihre Damen und das Kind, das die Brautgabe trug. Mit bedecktem Gesicht schritt sie langsam zu der Stelle, wo der Bräutigam auf sie wartete.
    Die Musik verstummte, und die Zeremonie begann. Der Bräutigam zog den durchsichtigen Schleier zurück, der Batshevas schönes Antlitz bedeckte. Sie reichte den Tallith an den Zeremonienmeister weiter,

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