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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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gestreift, und so saß auch dieser noch im Sattel. Es gab eine zweite Runde. Abermals brachten die Männer ihre Pferde in Position, Knappen eilten heran, um ihren Herren die Lanzen wieder zurechtzurücken.
    Runa hielt die Luft an. Sie konnte gar nicht ausdrücken, wie froh sie jetzt war, dass Margareta dem Tjost nicht beiwohnte.
    Auf ein Zeichen des Sprechers hin preschten beide Pferde erneut los. Die Galoppsprünge der Rösser wurden kürzer und kamen schneller hintereinander, je näher sie dem gegnerischen Pferd kamen. Es schien fast so, als ob auch sie wussten, worum es ging.
    Diesmal war der Aufprall noch heftiger. Beide Ritter trafen. Beide Lanzen zerbarsten in unzählige kleine Splitter. Die Männer wurden von der Wucht des Schlages so sehr zur Seite geworfen, dass ein Raunen durch die Menge ging und viele die Hälse reckten, um besser sehen zu können. Eccard hatte seine Zügel verloren, und der Graf war mit den Füßen aus den Steigbügeln gerutscht, doch auch dieses Mal stürzte keiner der beiden. Die schweren Rösser fielen von selbst in einen gemächlichen Trab und ließen sich von den heranlaufenden Knappen an den Zügeln ergreifen. So schafften es die Kämpfer bis zum Ende des Kampfplatzes, wo man ihnen dabei half, sich wieder aufzurappeln. Auch wenn es fast verrückt schien, es kam zu einer dritten Runde.
    Runas Herz schlug heftig. Sie hätte sich selbst nicht für so weich gehalten, doch der Anblick ihres Schwagers, wie er so zusammengesunken auf Kylion saß, erschütterte sie. Seine Rüstung hatte eine sichtbare Delle am Brustschild. Besorgt fragte sie sich, ob es ihm wirklich gut ginge. Sein Gegner schien ihm tatsächlich überlegen.
    Dennoch, der Tjost nahm seinen Lauf. Schon hatten die Männer sich neue Lanzen geben lassen und waren wieder bereit. Abermals galoppierten die Schlachtrösser an. Genauso furchtlos und schnell wie zuvor. Und endlich bekam die Menge, wonach sie verlangte.
    Eccard zielte schlecht und verfehlte seinen Gegner, doch der Graf von Stotel traf dafür umso besser. Seine Lanzenspitze hielt genau auf den gegnerischen Schild zu, wo sie krachend auftraf und diesmal nicht in unzählige Stücke zersplitterte. Eccard wurde so heftig aus dem Sattel gehoben, dass er sich, trotz seiner schweren Rüstung, noch zweimal überschlug. Danach blieb er bewegungslos liegen.
    Runa stieß ungewollt einen Schrei aus. Sie hatte die Hände vor den Mund geschlagen.
    Die Zuschauer hingegen tobten und klatschten vor Begeisterung.
    »Komm schon … Beweg dich …«, murmelte Walther vor sich hin, die Augen starr auf seinen Freund gerichtet, doch er regte sich nicht. Da hielt er es nicht länger aus und lief los. Walther rannte von dem hölzernen Aufbau in Richtung Absperrung am Kampfplatz. Nur mit Mühe konnte er sich durch die Menge drängen. Immer wieder blickte er dabei zu seinem Freund – in der Hoffnung, dass er gleich einen Arm bewegen oder ein anderes Zeichen geben würde. Wo blieben denn nur die verdammten Knappen?
    Die Kieler schrien ohne Unterlass. Das war es, was sie hatten sehen wollten. Mitleid war beim Tjosten fehl am Platze. Eher interessiert als mitfühlend beobachteten sie, wie das Pferd des gefallenen Ritters von dessen Knappen eingefangen wurde und ihn gleichzeitig ein paar seiner Männer erreichten.
    Walther kletterte über die Absperrung, erreichte endlich seinen Freund und kniete bei ihm nieder. »Eccard, Eccard. Kannst du sprechen?«
    »Ja«, ertönte es unter dem Topfhelm.
    »Bist du verletzt?«
    »Körperlich nicht. Aber mein Stolz ist es allemal.«
    Walther fuhr die beiden Männer neben sich an: »So nehmt ihm doch endlich den Helm ab.«
    »Geht nicht«, antwortete einer von ihnen. »Der ist verbogen und klemmt.«
    »Dann helft mir, ihn vom Platz zu schaffen«, befahl Walther und griff beherzt nach Eccards Arm. Während er seinem Freund aufhalf, ritt der Sieger im Schritt an den Männern vorbei. Walther blickte auf. Er konnte durch den Schlitz des Topfhelms bloß die Augen von Eccards Gegner sehen, und diese schauten plötzlich in ihre Richtung. Es war ein seltsam durchdringender Blick, der trotz seiner Kürze Unbehagen bereitete. Der Geharnischte hatte sie schon fast passiert, da bemerkte Walther, wie sich die Augen hinter dem Sehschlitz verengten, um schärfer sehen zu können. Nun verflog sein letzter Zweifel darüber, wen der Mann musterte: Sein Interesse galt nicht Eccard, sondern ihm! Walther wich dem Blick aus, indem er sich verbeugte. Da er wusste, wer sich unter der

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