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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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vielleicht würde es dir gefallen, wenn ich dir beim Ankleiden helfe und dir dein Haar flechte.«
    Nun musste Ava es glauben. Sie schaute zu ihrer einstigen Freundin, die sie trotz allem warmherzig anlächelte. Diesem Anblick konnte sie nicht länger standhalten. Sie schloss die Augen und begann zu schluchzen. Ava weinte, weil sie sich so sehr schämte und gleichzeitig, weil sie Oda so unendlich dankbar war. »Es … es tut mir so … schrecklich leid. Ich … weiß nicht, was ich sagen soll. Du hast allen Grund … mich zu hassen, und trotzdem bist du jetzt … du bist hier! Das habe ich nicht verdient!«
    Oda hörte geduldig zu, bis Ava all ihre Worte stotternd hervorgebracht hatte. Dann nahm sie eine ihrer Hände in die eigenen und sagte: »Ja, es stimmt, du hast mir Furchtbares angetan – genau wie Godeke! Und aus diesem Grunde verlange ich auch, dass du heute Christian Godonis heiratest. Du und Godeke, ihr habt keine Zukunft miteinander, ganz gleich welche Gefühle ihr füreinander hegt. Ich bin seine Frau, und ich werde mit ihm leben, bis wir sterben. Mit deiner heutigen Ehe wird alles, was zwischen euch gewesen ist, enden, und damit soll es für mich gut sein! Unser Herr im Himmel hat uns gelehrt zu vergeben, so will auch ich dir vergeben, was du getan hast. Gott wird dein und Godekes Richter sein, nicht ich, und wir können wieder Freundinnen sein!«
    Nach diesen Worten stürzte sich Ava regelrecht in Odas Arme. Eine Flut von Worten strömte aus ihrem Mund. »Ja, so wie du es sagst, so soll es sein! Auch wenn ich nicht ungeschehen machen kann, was ich getan habe, werde ich es bis zum Tage meines Todes bereuen – und mit Sicherheit noch darüber hinaus, wenn ich die gerechte Strafe für mein Tun von Gott erhalten werde. Diese Hochzeit nehme ich klaglos als Teil meiner Sühne an, nur bitte, Oda, verlass mich nicht! Ich fühle mich so einsam.«
    Oda presste die Weinende eng an sich. »Das bist du nicht. Du hast mich! Und ich … ich habe mein Kind.«
    Ava schreckte regelrecht zurück, hielt die Freundin aber noch immer mit den Händen fest, die jetzt das erste Mal aussprach, was sie bereits seit einer Woche ahnte.
    »Ich bin schwanger!«
    Lachend und weinend zugleich lagen sie sich noch eine Weile lang in den Armen, als es plötzlich klopfte. »Herrin? Ich bin es, Agnes.«
    Oda schaute Ava ins Gesicht. Mit den Daumen wischte sie ihr die Tränen von den Wangen und sagte: »Nun werden wir aus dir eine Braut machen.« Dann richtete sie das Wort in Richtung Tür an ihre Magd, die auf Odas Geheiß extra ein wenig später nachgekommen war. »Komm nur herein, Agnes!«
    Nur eine Stunde später war Ava nicht mehr wiederzuerkennen. Ihr langes, dunkles Haar war zu drei Zöpfen geflochten worden, welche wiederum miteinander verflochten worden waren. Nun fiel ihr ein einzelner dicker Haarstrang locker über den Rücken. Darüber lag ein schneeweißer Schleier, der mit einem verzierten silbernen Schapelring befestigt war. Ihr schlanker Körper war in ein wunderschönes grünes Seidenkleid gehüllt, welches Christian Godonis extra für diesen Tag hatte anfertigen lassen.
    Ava gefiel ihr Hochzeitskleid, auch wenn die Ärmel noch etwas befremdlich auf sie wirkten. Alle ihre sonstigen feinen Kleider hatten lange, zum Teil sogar bis zum Boden reichende Ärmel – dieses hier war nach der neuesten Mode am Arm eng geschnitten. In der Mitte wurde das Kleid von einem dünnen und extra langen silberbeschlagenen Gürtel gehalten, den man zweimal um die Taille schlang und dessen Ende vorne herunterhing. Der Rock war überlang und wurde entweder gerafft oder über dem Arm getragen.
    Fast war es geschafft. Ganz zum Schluss stach sich Agnes noch mit einer Nadel in den Finger und verteilte etwas Blut auf Avas Lippen und Wangen, damit diese schön rosig aussahen. Und während sie das tat, pochte es unten auch schon an der Haustür. Agnes sah noch einmal zu den beiden Frauen. Sie alle wussten, dass es Avas Zukünftiger und die restliche Hochzeitsgesellschaft waren.
    Ein letztes Nicken der Braut gab den Anstoß.
    Agnes sagte: »Ich gehe runter und öffne ihnen.« Dann war sie auch schon verschwunden.
    Oda lächelte. »Du siehst wirklich wunderschön aus. Christian wird sein Glück sicher kaum fassen können!«
    »Danke. Ich wünschte, ich würde mich so fühlen, wie ich aussehe.«
    »Nicht doch …!« Sie ging einen Schritt auf Ava zu und hob ihr Kinn. »Du musst jetzt stark sein. Sind die Zeiten auch schwer, so nützt es trotzdem niemandem

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