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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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beobachtete Melanda, wie er sich besorgt über den Bewusstlosen beugte, ihn an den Schultern packte und schüttelte. Der Fremde schlug daraufhin die Augen auf, murmelte etwas und war sofort wieder auf den Beinen. Ohne ein Wort der Erklärung ließ er den Diener stehen und rannte wie ein Hase zurück in Richtung Gasthof. Der Hausdiener schüttelte den Kopf und lief ihm hinterher.
    Melanda dagegen musste sich erst einmal setzen. Sie war vollkommen erschöpft und vor allem verwirrt. Was war hier geschehen? Unheimliche schwarze Gestalten, die einen harmlosen Fremden so sehr erschreckten, dass er das Bewusstsein verlor; blitzende Schwerter und das unsägliche Gefühl von Gefahr, von etwas Bösem – wie in einem Abenteuer…
    Melanda schüttelte den Kopf. Das war einfach unmöglich! Sie musste ihre Gedanken ordnen; dann würde schon wieder alles ins rechte Licht gerückt werden. Doch um ihre Gedanken zu ordnen, musste sie mit jemandem reden, und wer war besser dafür geeignet als Lutz? Hatte er etwas von dem Vorfall mitbekommen? Schließlich war alles in unmittelbarer Nähe seiner Koppel geschehen, doch im Augenblick schlief er wahrscheinlich tief und fest. Nun, dann würde Melanda ihn eben wecken müssen. Dass er vermutlich ohnehin nicht gut auf sie zu sprechen war, daran dachte sie nicht mehr.
    Lutz schlief tatsächlich tief und fest, doch als Melanda ihn weckte, war er keineswegs verärgert. Er war im Gegenteil sofort hellwach und außer sich vor Aufregung.
    »Melanda!«, begrüßte er seine Freundin. »Melanda, gut, dass du kommst! Du glaubst nicht, was passiert ist!«
    Melanda setzte sich und legte den Schwanz um die Vorderpfoten. Ihren Freund so aufgeregt zu sehen, bereitete ihr große Sorge und verdrängte alle Gedanken an die unheimlichen Gestalten mit den glühenden Augen – vorerst.
    »Das Tor!«, plapperte Lutz. »Es flog auf… Rumms… und dann sind sie hier durch wie der Sturmwind höchstpersönlich… schwarz, schnell und… und…«
    »Immer mit der Ruhe«, unterbrach ihn Melanda. »So verstehe ich ohnehin nichts. Atme erst einmal tief durch, und fang noch mal von vorne an.«
    Lutz atmete tief durch – er tat meist, was Melanda von ihm verlangte. Dann:
    »Das Tor. Das Tor ist plötzlich aufgeflogen. Mitten in der Nacht! Vom Wachposten war nichts zu sehen.«
    »Vermutlich ist er im Gasthof einen trinken gegangen und dann irgendwo eingeschlafen – was ja schon öfters vorgekommen sein soll«, ergänzte Melanda schnippisch.
    »Was? Ja, ja. Das Tor ist aufgeflogen, und dann kamen sie. Es waren fünf. Fünf schwarze Gesellen auf schwarzen Pferden. Unheimliche Gesellen.«
    Melanda richtete die Ohren auf. Das konnten nur…
    »Sie waren wirklich, wirklich unheimlich. Du musst mir glauben! Ich habe das nicht nur geträumt«, beteuerte Lutz. »Und ihre Pferde erst! Du hättest ihre Pferde sehen sollen! So etwas kann, so etwas darf nicht sein! Schwarz wie die Nacht und Augen wie Feuer. Und ihr Wiehern… Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, ich hätte Wölfe und keine Pferde gehört. Wirklich! Wie hungrige Wölfe im Winter.«
    Melanda starrte ihn fassungslos an. Hätte sie das gutmütige Pony nicht so gut gekannt, und wäre sie zweien der schwarzen Gesellen nicht selbst begegnet, sie hätte Lutz kein Wort geglaubt. Aber so…
    »Red weiter«, forderte sie ihren Freund auf.
    Das ließ sich Lutz nicht zweimal sagen. »Sie waren unheimlich und gefährlich.« Melanda nickte wissend. »Sie waren böse… wie in den Abenteuergeschichten…«
    Melanda schlug erregt mit dem Schwanz hin und her. »Hör auf damit!«, fauchte sie.
    »Aber…«
    »Nein!«, sagte sie zwar in freundlicherem, aber immer noch unnachgiebigem Tonfall. »Ich will nichts mehr davon hören. Ich schlage vor, wir schlafen erst mal darüber, und wenn morgen die Sonne wieder lacht, sieht die Welt schon anders aus. Es muss eine ganz einfache Erklärung für alles geben. Es gibt keine Abenteuer! Ich gehe jetzt. Ich bin müde. Gute Nacht.«
    Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, sprang sie vom Zaun und trabte in Richtung Gasthof davon.
     
     
    Melanda schlief wie ein Stein. Kein noch so lauter Lärm würde sie wecken können – zumindest war sie fest davon überzeugt gewesen, als sie ihr Auge geschlossen hatte.
    Dennoch wachte sie irgendwann später in der Nacht auf. Es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, warum. Es war kein Geräusch, das sie geweckt hatte, sondern jenes seltsame Gefühl, das sie heute schon einmal befallen hatte: Gefahr

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