Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
werde ich heute noch mit ihm sprechen.«
»Was für einen Schaden? Mein Korporal hat gemeldet, dass Ihr behauptet, Magier zu sein. Kennt Ihr die Strafe, die in Thrandor auf die Ausübung von Magie steht?«
»Meint Ihr solche Magie?«, fragte Perdimonn. Er konzentrierte sich und streckte dem Hauptmann die flache Hand entgegen. Aus dem Nichts tauchte eine kleine weiße Kugel auf, die immer heller strahlte.
»Oh, das ist nett«, erklärte der Hauptmann höflich. »Wahrscheinlich könnt Ihr auch Münzen verschwinden lassen und Seiltricks vorführen, aber damit kommt Ihr nicht vor den König. Bitte, tut Euch einen Gefallen und geht Eurer Wege. Ich möchte Euch nur ungern einsperren.«
Perdimonn schloss die Hand um die Lichtkugel. »Hört zu, Hauptmann, und zwar genau. Euer Volk hat genug mit dem Aufbau der Unterstadt zu tun. Nur für ein paar Worte mit dem König will ich wahrlich nicht durch das Tor hier brechen oder die Palastmauern niederreißen.«
Der Hauptmann musterte sein Gegenüber und die dicken Mauern rund um das weitläufige Palastgelände, dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Palastmauern niederreißen … Hahaha! Ich muss schon sagen, Ihr habt mir heute meinen ersten Lacher beschert. Die Leute versuchen ja auf jede erdenkliche Weise, in den Palast zu gelangen, aber Ihr seid der Erste, der damit droht, die Mauer einzureißen. Habt Dank für die unterhaltsame Einlage, Alter, aber ich rate Euch dringend, jetzt Eurer Wege zu gehen.«
Perdimonn musterte die Steinplatte, auf der der Hauptmann stand, und lächelte. »Rührt euch nicht, Hauptmann. Egal, was geschieht, rührt euch nicht von der Stelle. Ich
will nicht, dass Euch etwas zustößt«, riet Perdimonn dem adrett gekleideten Offizier.
Er deutete auf die Füße des Hauptmanns und murmelte etwas vor sich hin. Da ertönte ein lautes Knacken, gefolgt von dem knirschenden Geräusch, das entsteht, wenn Stein an Stein reibt. Dem Hauptmann und seinen beiden Wachmännern fiel vor Verblüffung die Kinnlade herunter: Auf einer quadratischen Säule aus Erde und Gestein erhob sich die Steinplatte, auf der der Hauptmann stand, aus dem Pflaster. Die Säule wuchs, bis der Hauptmann etwa vier Meter über dem Boden stand.
»Was zum …?«
»Also, Hauptmann. Wenn ich beschließe, Euch wieder herunterzulassen, werdet Ihr dann dem König ausrichten, dass wir um eine Audienz ersuchen? Entweder das oder wir werden die Mauern einreißen und ihn unangekündigt aufsuchen. Wie sollen wir es denn nun halten? Und ich verspreche Euch, dass wir unverrichteter Dinge abziehen werden, wenn der König nicht mit uns sprechen will. Aber ich glaube, er möchte hören, was wir ihm zu sagen haben.«
Eines musste man dem Hauptmann lassen: Er bewahrte Haltung. Wie eine Statue stand er reglos auf seiner Säule und dachte, wie es den beiden Wachleuten erschien, eine Ewigkeit nach. Als er schließlich sprach, war seine Stimme ruhig und gefasst.
»Ihr habt Euer Anliegen mit Nachdruck vorgebracht. Ich müsste Euch jetzt verhaften lassen, aber auch ich möchte Unannehmlichkeiten vermeiden. Lasst mich herunter, und ich teile dem König mit, dass Ihr eine Audienz wünscht. Ihr habt mein Wort darauf.«
Perdimonn nickte, und die Säule senkte sich knirschend und ächzend, bis sich die Steinplatte wieder ins Pflaster einfügte.
Der Hauptmann trat beiseite und starrte die Platte an, als sei sie eine Schlange, die ihn beißen wolle.
»Interessanter Trick«, bemerkte er gequält. »Korporal, geh und hole ein paar Männer aus der Wachstube, die sich um die Pferde kümmern. Meine Herren, meine Dame, wenn Ihr die Pferde hier festbindet, werden meine Leute dafür sorgen, dass sie Wasser und Futter bekommen. Gefreiter, öffne das Seitentor.«
Während sich der Hauptmann um alles kümmerte, flüsterte Rikath Perdimonn zu: »Unter der Drohung, die Palastmauern einzureißen, verstehst du also etwas Einfaches?«, scherzte sie.
»Na ja, es war eine ziemlich geradlinige Idee. Also könnte man sie wohl als einfach bezeichnen. Aber ich gebe zu, die waren nicht so leicht zu beeindrucken, wie ich mir das vorgestellt hatte«, gestand Perdimonn mit einem reumütigen Grinsen ein.
»Die Säule war ein hübscher Einfall«, erwiderte Rikath so leise, dass der Hauptmann sie nicht hören konnte. »Das geht bestimmt in den Sagenschatz Thrandors ein.«
»Danke. Mir hat es auch ganz gut gefallen«, erklärte Perdimonn. Beide bemühten sich wieder um eine ernste Miene, da der Hauptmann sie nun durch das Seitentor
Weitere Kostenlose Bücher