Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
so?«
Arred drehte sich um, streckte die linke Hand mit der Handfläche nach vorne aus und vollendete innerlich eine Runenfolge, die er während des Gesprächs mit dem Sergeanten bereits vorbereitet hatte. Ein gewaltiger Feuerstrahl schoss aus Arreds Hand und brauste zwanzig Meter die Stadtmauer entlang. Der Sergeant flüchtete sich in sein Wachhäuschen und verriegelte die Tür. Arred löschte die Flamme und verneigte sich vor den Menschen, die sich auf der Straße unterhalb der Stadtmauer versammelt hatten und jetzt klatschten. Sie dachten wohl, es handle sich um die Vorstellung eines Gauklers.
Als Arred an die Tür des Wachhäuschens klopfte, erhielt er keine Antwort. Er hämmerte ein zweites Mal dagegen und rief: »Sergeant! Um Tarmins willen, Mann, öffne die Tür! Ich will dir doch nur helfen. Wenn du es schon bei einer so kleinen Vorführung mit der Angst bekommst, dann gehst du Selkor besser aus dem Weg. Genau deswegen will der König doch, dass wir hier Wache schieben.«
Bei der Erwähnung des Königs vernahm er ein Klicken und die Tür öffnete sich knarrend. Der Sergeant spähte vorsichtig hinaus, das Türblatt als eine Art Schutzschild benutzend.
»Der König weiß Bescheid?«, fragte er unsicher.
»Natürlich«, erwiderte Arred bestimmt. »Ich komme direkt aus dem Palast, wo meine Freunde und ich derzeit untergebracht sind. Wir wohnen im Westflügel, falls dir das etwas sagt.«
»Ihr wohnt im Palast?«
»Das habe ich doch gerade gesagt«, erwiderte Arred, der so langsam die Geduld verlor. »Also, Sergeant, am besten fangen wir noch einmal von vorn an. Ich heiße Arred, und ich soll dir helfen, die Stadt zu bewachen.«
Arred streckte wieder die Hand aus. Diesmal nahm sie der Sergeant und schüttelte sie vorsichtig. Einen Augenblick erwog Arred, ihn mit einem kleinen Hitzetrick zu erschrecken, fand dann aber, dass er dem Armen für diesen Tag genug zugemutet hatte.
»Wie hast du das mit dem Feuer gemacht? Tut das nicht weh?«, fragte der Sergeant. Er beäugte Arred argwöhnisch, als fürchte er, ihm könnten jeden Moment zwei Köpfe wachsen oder er könnte in tausend Stücke zerbersten.
Arred bedachte ihn mit einem schelmischen Lächeln und hob vielsagend die Augenbrauen. »Willst du das wirklich wissen?«, fragte er, verschränkte die Finger seiner Hände und tat so, als bereite er einen neuen Zauber vor. »Keine Angst, ich mache nur Spaß. Ich könnte es dir auch gar nicht beibringen. Es erfordert Jahre gewissenhaften Studierens, bis man auch nur die einfachsten Formeln beherrscht. Das ist ja auch das Problem, vor dem Mantor derzeit steht. Ein sehr mächtiger Magier ist auf dem Weg hierher, und ihr habt in Thrandor niemanden, der euch gegen ihn verteidigen könnte. Deshalb sind wir hier. Gemeinsam mit weiteren Magiern, die noch unterwegs sind, wollen meine Freunde und ich verhindern, dass dieser Selkor euch allzu große Scherereien macht.«
»Bitte, Arred, vergib mir meine Zweifel. Die Sache mit dem Feuer hat mir, ehrlich gesagt, eine Heidenangst eingejagt. Trotzdem muss ich jemanden in den Palast schicken, um mir deine Geschichte bestätigen zu lassen. Ich hoffe, du
verstehst das.« Der Sergeant bereitete entschuldigend die Arme aus.
»Natürlich, Sergeant. Immer los! Aber jetzt kommen wir zu den wichtigen Fragen: Wo hat man den besten Blick nach draußen? Und gibt es hier oben etwas zu trinken?«
Der Sergeant nickte und führte Arred zur Treppe in der hinteren rechten Ecke des Raums.
»Dort geht es auf die Turmspitze und da steht immer ein Wachtposten. Du kannst ihm Gesellschaft leisten, wenn du möchtest. Er hat frisches Wasser und auf halber Höhe findest du immer eine Kanne warmen Dahl.«
»Wasser und Dahl? Etwas Stärkeres habt ihr nicht?«
»Doch nicht im Dienst, Arred«, erwiderte der Sergeant vorwurfsvoll.
»Diese Antwort habe ich erwartet«, seufzte Arred ergeben und schüttelte enttäuscht den Kopf. »Also gut, dann gehe ich mal besser auf meinen Posten.«
Um Mitternacht wurde Arred von Rikath abgelöst. Nachdem sich der Sergeant Arreds Aussagen im Palast hatte bestätigen lassen, gelangte Rikath ohne Probleme auf den Wachturm. Die Wachleute mochten sie auf Anhieb und prügelten sich bald darum, wer sie mit Wasser und Dahl versorgen durfte. Die Wasserhüterin erheiterte die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde. Obwohl in Mantor wie in allen Heeren Thrandors auch Frauen dienten, schien es, als hätten die Wachleute noch nie mit einer Frau Dienst getan. Als Rikath am Mittag des
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