Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
schwierigsten Situationen zu meistern. Das war ihr Glück, denn die anderen Hüter hatten sich jahrzehntelang in ihrer jeweiligen kleinen Welt eingerichtet und waren es nicht gewohnt, Probleme lösen zu müssen.
Die vier durchschritten gemeinsam das Stadttor, und Arred deutete auf Selkor, der noch immer auf seinem Pferd saß. Perdimonn nickte und bedeutete den anderen, stehen zu bleiben.
»Also gut!« Er atmete tief ein. »Arred, du bleibst hier bei den anderen. Sie werden dich in unseren Plan einweihen. Ich gehe mal hin und schaue, ob ich Selkor um den einen oder anderen magischen Gegenstand erleichtern kann.«
Arred tat wie geheißen. Er war verwirrt, denn er war davon ausgegangen, dass sie Selkor gemeinsam gegenübertreten würden. Morrel und Rikath klärten ihn jedoch sogleich darüber auf, was Perdimonn vorhatte. Arred brach in lautes Gelächter aus.
Der alte Magier trat vorsichtig auf den erstarrten Selkor zu. Obwohl er von seinem Plan überzeugt war und Morrel und Rikath gegenüber Zuversicht ausgestrahlt hatte, hämmerte ihm nun, da er neben Selkor und dessen Pferd stand, das Herz wild in der Brust.
Selkor war wie üblich schwarz gekleidet und trug hohe Lederstiefel, die mit kunstvollen silbernen Mustern verziert waren. Aus seiner Haltung sprachen Stolz und Überheblichkeit, doch in den Augen des shandesischen Magiers blitzte neben brennendem Ehrgeiz auch kalter Zorn.
Perdimonn war froh, dass Selkor nicht mehr Umsicht gezeigt hatte, als er sich Mantor näherte. Mit Sicherheit hatte der shandesische Magier versucht, den Zeitfluss zu verändern, ohne Zweifel mit schmerzhaften Folgen. Seither ging er wohl davon aus, dass niemand mehr Einfluss auf die Zeit nehmen konnte. Hätte er auch nur eine Sekunde angenommen, dass einer der Hüter noch dazu in der Lage war, so hätte er sicherlich den Mantel des Merridom benutzt und sich Mantor getarnt genähert. Dann wäre es erheblich schwerer gewesen, ihn auszumachen. Perdimonn hatte diese Möglichkeit durchaus in Betracht gezogen.
Der alte Magier öffnete mit unendlicher Vorsicht die Schnallen von Selkors Satteltaschen, schlug sie auf und blickte hinein. Behutsam zog er den Inhalt heraus und legte die Gegenstände einen neben dem anderen auf den Boden. Ganz unten in der ersten Tasche fand er den Mantel des Merridom. Sein Herz machte einen Hüpfer.
»Hervorragend«, murmelte er.
Es gab keine Möglichkeit, die Machtschlüssel, die Selkor gestohlen hatte, zurückzuholen, und mit Rikath und Morrel war er sich einig gewesen, dass es unklug wäre, Darkweavers Amulett zu berühren. Nach allem, was sie wussten, war das Amulett vermutlich vom Zeitfluss unabhängig, daher konnte es schon ein gefährliches Unterfangen sein, sich auch nur seinem Träger zu nähern. Über die Eigenschaften, die der Mantel des Merridom und der Ring des Nadus besaßen, wussten sie dagegen genau Bescheid, und demnach konnte Perdimonn sie unbeschadet an sich nehmen.
Der Erdhüter wollte Selkors Habseligkeiten gerade wieder in die Satteltaschen packen, als ihm einfiel, dass er auch einfach alles mitnehmen konnte. Wenn es ihnen später gelang, den shandesischen Magier zu vertreiben, würden die nächsten Nächte für ihn recht ungemütlich werden.
Perdimonn kicherte. Er durfte Selkor zwar nicht das Leben nehmen, doch er konnte es ihm ganz schön schwer machen. Er breitete den Mantel aus, legte den Inhalt der Satteltaschen darauf und schnürte das Ganze zu einem Bündel, das er vorerst am Boden liegen ließ, um nach dem Ring des Nadus zu suchen.
Wie erwartet trug Selkor ihn am Mittelfinger der rechten Hand. Es würde nicht einfach werden, ihn abzuziehen, ohne Selkor zu verletzen, doch wenn sie seine Macht einschränken wollten, blieb ihm nichts anderes übrig. Mit unendlicher Geduld und Umsicht löste Perdimonn Selkors Finger, die um den Zügel geschlossen waren. Dann holte er ein kleines Döschen Salbe aus der Tasche, schmierte etwas davon auf den Mittelfinger und zog Selkor den Ring, Stück für Stück, über den Finger, bis er ihn endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Hand hielt.
Perdimonn konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als
er sich den Ring auf den Finger steckte. Sorgfältig wischte er die Salbe von Selkors Fingern, die er anschließend wieder um den Zügel legte.
»So weit, so gut«, murmelte Perdimonn, zufrieden mit seinem ungewöhnlichen Diebstahl. Dann machte er sich, das Bündel mit Selkors Habseligkeiten unter dem Arm, auf den Rückweg zum Tor.
Die anderen
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