Das Vermächtnis von Thrandor - Der Auserwählte
Wirt konnte sie nirgends entdecken. Nur eine Frau putzte den Schanktresen. Missbilligend musterte sie Femkes Schwert. Femke folgte ihrem Blick und lächelte sie beruhigend an.
»Oh, keine Sorge, das ist nicht meins«, sagte sie und hielt das Schwert in die Luft. »Das ist für meinen Verlobten. Er ist bei der Stadtwache und sein Schwert hat schon bessere Tage gesehen. Deshalb will ich ihm das hier schenken. Ich habe es heute gekauft.«
»Gut«, erwiderte die Frau kurz angebunden. »Wir mögen hier im Goldenen Feuerdrachen nämlich keine Waffen. Den Soldaten bleibt ja nichts anderes übrig, als welche zu tragen, aber für eine junge Frau wie dich schickt es sich wahrlich nicht. Also, was kann ich für dich tun?«
»Ich wollte gern für ein paar Nächte ein Zimmer mieten, wenn du eins hast.«
»Wir sind aber nicht billig, junge Dame, und du musst im Voraus bezahlen.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Femke freundlich. Innerlich kochte sie vor Wut, denn die Frau wollte den Vorschuss nur, weil Femkes Kleidung so ärmlich wirkte. »Was kostet denn eine Woche?«
»Eine Woche? Das wären dann fünf Sen«, erklärte die Frau, wohl in der Annahme, dass der Preis Femke abschrecken würde.
»Ist da ein Platz für mein Pferd im Stall, ein warmes Bad und eine Mahlzeit mit drin?«
»Ja, sicher.« Die Frau hob überrascht die Augenbrauen, weil der Preis nicht die erwünschte abschreckende Wirkung gezeigt hatte.
»Nur fünf, gut«, meinte Femke beiläufig. »Da bin ich aber froh, denn mein Verlobter sagte, es wäre ziemlich teuer hier.«
In Wahrheit waren fünf Sen für ein Gasthaus wie den Feuerdrachen ein völlig überzogener Preis. Doch Femke hatte dieser überheblichen Person zeigen wollen, dass sich hinter der abgerissenen Erscheinung eine gut betuchte junge Frau verbarg. Mit unbewegter Miene, aber jede Sekunde auskostend, zog sie ihren mit goldenen Sen wohlgefüllten Geldbeutel heraus und öffnete ihn so, dass die Frau hineinsehen konnte.
»Also, hier sind deine fünf Sen«, sagte Femke fröhlich. »Wenn du mir jetzt mein Zimmer zeigen könntest? Ich möchte gern ein Bad nehmen, um mir den Schmutz von der Reise abzuwaschen, wenn das in Ordnung wäre.«
10
Als sie in der Ferne das Krachen und das Poltern hörten, trieben die Magier ihre Pferde zu höchster Eile an. Die Donnerschläge, die über die weite Landschaft hallten, kamen in zu schneller Folge, als dass es sich um die natürlichen Begleiterscheinungen eines Gewitters handeln konnte. Es gab nur eine Erklärung: Es war ein magischer Kampf, wobei enorme Energie entfesselt wurde. Auch ohne viel Fantasie kam man schnell darauf, wer daran beteiligt sein musste.
»Folgt mir!«, brüllte Akhdar. »Wir müssen Mantor erreichen, bevor es zu spät ist.«
Obwohl die Pferde erschöpft waren von den Anstrengungen der vergangenen Wochen, gaben sie ihr Bestes. Doch bald hatten die drei Großmagier Calvyn, Jenna und Lomand abgehängt, da Calvyn und Jenna mit den Packpferden alle Hände voll zu tun hatten und Lomand, der ebenfalls ein Handpferd führte, außerdem noch für sein Ross viel zu schwer war.
Endlich brachen die Donnerschläge ab. Akhdar und Kalmar drosselten ihr Tempo nur so weit, dass Jabal aufschließen konnte, dann besprachen sich die drei während des immer noch scharfen Rittes. Ein weiterer Donnerschlag durchschnitt die Luft, gefolgt von einer unheilvollen Stille. Calvyn schlug das Herz bis zum Hals. Es war noch immer eine gute Meile bis zum Kamm des Hügels, auf dem Calvyn und Jenna gegen Demarrs Nomadenheer gekämpft hatten. Die Schlacht schien ihnen Ewigkeiten her zu sein, obwohl es
erst ein knappes Jahr her war, dass Calvyn und Jenna als Gefreite knappe zwei Meilen von hier Seite an Seite in einer scheinbar hoffnungslosen Schlacht gekämpft hatten.
Die anhaltende Stille ließ nichts Gutes erahnen, und Calvyn wünschte, er könnte eine Gedankenverbindung zu Perdimonn herstellen. Er schwor sich, das bei nächster Gelegenheit zu üben. An die Möglichkeit, dass Perdimonn die gewaltigen Explosionen nicht überlebt haben könnte, wollte er nicht einmal denken.
Als Calvyn und Jenna die Spitze des Kamms erreichten, von wo sich ihnen der Blick auf Mantor öffnete, trafen sie auf die drei Großmagier, die dort angehalten hatten und bereits das Tal nach Hinweisen über den Ausgang des Kampfes absuchten. Selbst auf diese Entfernung waren die großen verbrannten Grasflächen vor der Stadt und die vielen Krater im Boden deutlich zu erkennen.
»Was ist?«,
Weitere Kostenlose Bücher