Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin
nach.
Aus der Dunkelheit tauchten drei weitere Gestalten auf. Jeder, einschließlich Derra, trug einen leichten Rucksack und war bewaffnet. Der Trupp wollte schnell vorankommen und war auf Feindbegegnung gefasst, dachte der Wachmann bei sich, als er die nunmehr entriegelten Flügel des Tores gerade so weit öffnete, dass die vier einer nach dem anderen hinausschlüpfen konnten.
»Danke, Gefreiter. Und denk dran – kein Wort«, sagte Derra leise, als sie als Letzte durch den Spalt glitt.
Der Gefreite antwortete nicht, sondern schloss leise das Tor hinter Derra und legte pflichtbewusst die Riegel und die Sperrhölzer wieder vor.
Die vier Soldaten bewegten sich lautlos wie Geister im Schatten der Mauer. An der nächsten Ecke, dort, wo das Zeltlager vor der Burg aufgebaut war, verließen sie den Schutz der Burgmauer und schlichen geduckt in die Nacht hinaus.
Sie hatten den Ausflug von langer Hand vorbereitet, überlegte Derra, die Bek, Eloise und Jez in Richtung der shandesischen Grenze folgte. Bei den ersten Gesprächen
war es zunächst darum gegangen zu verhindern, dass einer der vier genau das tat, was sie in dieser Nacht taten. Doch mit jedem Treffen wuchs der Drang in ihnen, Calvyn das Schwert zurückzubringen. Bald hatten ihre Treffen nur noch ein Ziel: einen Plan für die Reise zu entwerfen.
Alle wussten, dass sie den Befehlen ihrer Vorgesetzten zuwiderhandelten. Gleichzeitig war jeder felsenfest davon überzeugt, das Richtige zu tun, denn das Schwert musste zu Calvyn zurückgebracht werden – nur so konnten sie Thrandor im Kampf gegen Shandar helfen.
Allen war klar, dass Magie im Spiel war. Doch hatte nicht das Schwert in Calvyns Händen die Schlacht bei Mantor zu Thrandors Gunsten gewendet? Sicher würde die Magie des Schwertes, wenn es erst wieder in Calvyns Händen wäre, erneut für ihr Land wirken.
Dass Calvyn nicht tot, sondern dem Feind in die Hände gefallen war, stand für alle fest. Sie würden ihn finden, davon waren sie überzeugt, auch wenn keiner zu sagen vermochte, wie weit sie würden wandern müssen. Deshalb hatten sie so gepackt, dass sie zwar für den Ernstfall gerüstet waren, jedoch möglichst wenig tragen mussten, damit sie zügig vorankamen.
Bek gab das Tempo vor, das er zunächst niedrig hielt, dann aber langsam steigerte, als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Jenna schnallte sich das Schwert um. Es fühlte sich ungewohnt an, nachdem sie so lange keines getragen hatte, vermittelte ihr aber eine gewisse Sicherheit: Wenn sie das nächste Mal auf den Gorvath stieß, war sie zumindest ausreichend bewaffnet.
Eins war klar: Jenna musste den Gorvath schnell einholen und töten. Sie galt wahrscheinlich mittlerweile als vogelfrei und man suchte landauf, landab nach ihr.
In der Nacht, in der sie dem Dämon zum ersten Mal begegnet war, hatten sie die Männer gewaltsam ins Dorf gezerrt. Der Gorvath hatte ein weiteres Opfer gefordert, das war völlig klar, aber die Leute wussten nichts von einem Dämon. Sie wussten nur, dass einer von ihnen auf bestialische Art und Weise ermordet worden war und dass in nächster Nähe des Tatorts eine bewaffnete Fremde herumschlich.
Hätten nicht zwei der Dorfbewohner einen kühlen Kopf bewahrt, so wäre Jenna womöglich auf der Stelle gelyncht worden. Zu ihrem Glück genossen die Besonnenen, der Schmied und der Besitzer der Dorfschänke, im Dorf die größte Hochachtung. So konnten sie die Menge mit knapper Not besänftigen.
Im Dorf gab es keine Dorfwächter oder Gendarmen, doch der Schmied und der Wirt bestanden darauf, dass Jenna festgenommen und befragt wurde. Sie brachten sie vor dem aufgebrachten Mob in Sicherheit, konnten allerdings nicht verhindern, dass man sie zuvor anspuckte und ihr mehrere Fußtritte und Faustschläge verpasste.
Jenna hatte schreckliche Angst.
Als Jennas Retter sie mit der Unterstützung von einigen kräftigen Männern in einen kleinen Raum in der Dorfschänke brachten, war sie kreidebleich und zitterte am ganzen Körper. Keiner der Männer wollte ihr wehtun, doch ihr Griff war so fest, dass sie am nächsten Tag blaue Flecken an beiden Oberarmen hatte.
Der Raum hatte keine Fenster, sondern nur eine Tür. Daneben stand ein alter Holzstuhl und an der Wand gegenüber lagen ein paar schmuddelige Kissen und eine verschlissene Decke auf dem Boden.
Als die Tür hinter ihr zuschlug, blieb Jenna im Dunkeln zurück. Durch eine Ritze unter der Tür gelangte nur ein dünner Lichtstrahl in den Raum. Jenna rümpfte
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