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Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Titel: Das Verschwiegene: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linn Ullmann
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soll ich dir glauben?«
    »Zweimal, vielleicht. Ich weiß es nicht. Beide Male ging es daneben. Ich will doch nur bei dir sein.«
    »Warum zweimal, wenn das erste Mal schon danebengegangen war? Was war der Sinn?«
    »Es hat sich einfach so ergeben. Siri, bitte. Es hat nichts bedeutet.«
    »Und dann?«
    »Was dann?«
    »Habt ihr zusammen geschlafen? Hast du sie am nächsten Tag nach Oslo gefahren? Wart ihr mehrmals zusammen?«
    »Ich habe nicht besonders gut geschlafen. Ich habe sie nach Hause gefahren. Ich wollte, dass sie den Zug nimmt, aber sie wollte unbedingt mit mir im Auto fahren. Und nein, ich habe sie nie wieder gesehen. Sie wollte, aber ich nicht.«
    »Sie hat neben dir auf dem Beifahrersitz gesessen, in unserem Auto, sie hat mit ihrem fetten Hintern und ihrem Oberlippenbart in unserem Auto gesessen?«
    »Ja, aber es hat nichts bedeutet.«
    »Und wann hast du die Mail geschrieben?«
    »Welche Mail?«
    »Die ich gerade zitiert habe, die ich auswendig gelernt habe, die du gelöscht hast, wie du alles löschst.«
    »Ach so, die Mail.«
    »Warum hast du sie geschrieben?«
    »Ich versuche ja mich zu erinnern … ich kann mich einfach nicht erinnern.«
    »Du schreibst einer anderen Frau eine Liebesmail und erinnerst dich nicht mehr, warum du es getan hast? Deine Haare, deine Augen, dein Licht . Hast du das vor oder nach Örebro geschrieben?«
    »Ich weiß es nicht, Siri, ich wollte bestimmt nur …«
    »Du wolltest noch einmal mit ihr schlafen?«
    »Nein! Das nicht! Ich erinnere mich nicht.«
    »Dein Licht?«
    »Dein was?«
    » Dein Licht , hast du geschrieben. Deine Haare, deine Augen, dein Licht . Eine Frage nur, damit ich das hier richtig verstehe: Zuerst habe ich geleuchtet, dann hat sie geleuchtet, wie viel Licht brauchst du eigentlich?«
    »Hör auf!«
    »Ich will nie wieder das Wort Licht von dir hören.«
    »Hör auf!«
    »Dein Licht, mein Licht, nie mehr, denk dir was anderes aus.«
    »Es hat nichts bedeutet, Siri.«
    »Was hat nichts bedeutet?«
    »Alles.«
    »Und wo war ich?«
    »Wo du warst?«
    »Ja, wo war ich?«
    »Warst du nicht in Oslo?«
    »Ich meine, wo war ich in deiner Mail?«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    »Du hast Paula Krohn eine Mail geschrieben, als gäbe es mich nicht.«
    »Es war nicht so, dass es dich nicht gab. Ich … Es hat nichts bedeutet!«
    Siri rezitierte noch einmal: » Ich denke morgens, vormittags, nachmittags, abends und nachts an dich, aber ich kann nur in Gedanken bei dir sein, weil, ja, du weißt schon. Weil. « Sie setzte sich direkt vor ihn und flüsterte: »Was heißt weil ? Was kommt nach weil ? Weil was?«
    »Das war nur so dahingeschrieben, Siri. Worte ohne Sinn.«
    »Worte ohne Sinn?«
    »Worte ohne Sinn.«
    »Mit wie vielen Frauen warst du eigentlich zusammen, Jon?«
    »Nur mit ihr. Nur das eine Mal.«
    »Vor fünf Jahren?«
    »Das war’s.«
    »Und Mille?«
    »Was ist mit Mille?«
    »Du warst nicht vielleicht doch in der Nacht in ihrem Zimmer?«
    »Nein.«
    »Vielleicht nur, um nachzusehen, ob sie zurückgekommen war?«
    »Nein.«
    »Mehr ist nicht?«
    »Wie meinst du das?«
    »Mehr gibt es nicht zu erzählen?«
    »Das mit Paula – das war in einem anderen Leben.«
    »In einem anderen Leben? Was soll das heißen, verdammt?«
    »Das heißt, dass es vorbei ist. Ich habe alles erzählt. Ich will nur bei dir sein.«

U nd wieder einmal war Siri in Mailund, und wieder einmal sagte Jenny: »Ich erkenne dieses Haus. Ich erkenne diese Wände und dieses Zimmer und die Wiese und den Wald hinter dem Haus. Aber manchmal frage ich: Wer wohnt hier? Und dann antworten alle: Aber du wohnst doch hier, Jenny Brodal, du und deine ganze Familie.«
    Siri schlug die Tür hinter sich zu. Irma stand am Fenster und starrte ihr nach. Irma mit den langen Haaren und dem mächtigen Körper. Irma mit den Omeletts. Irma mit den Enten im Gartenteich und den verletzten Tieren im Keller. Einem hinkenden Hund. Einem halbblinden Meerschweinchen. Einem angefahrenen Eichhörnchen. Das Eichhörnchen hatte wundersamerweise überlebt, nachdem es im Frühjahr von einem Auto angefahren worden war, und Irma hatte es im Straßengraben aufgelesen und mit ihrer Pflege zu Hause ins Leben zurückgeholt. Hintergrund war, wie sie Siri in einem ihrer redseligeren Momente erzählt hatte, das Eichhörnchen wieder mit dem Wald zu vereinen. Darüber, dass Jenny im Sterben lag, wollte sie nicht sprechen, Jenny ging es ausgesprochen gut, besser denn je, meinte Irma, Jenny war frisch wie ein Fisch (was man von

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