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Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Titel: Das Verschwiegene: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linn Ullmann
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ins Bett zu gehen, er musste unaufhörlich an die Schnecke denken, und das Bett war so schmal, Siri und er hatten so lange nicht zusammen geschlafen. Vielleicht sollte er ihr anbieten, auf dem Boden zu schlafen? Er prüfte kurz nach, ob das Handy auf lautlos stand, jetzt durfte auf keinen Fall eine weitere SMS von Amanda eingehen. Er konnte Siri nicht erzählen … was sollte er ihr sagen … Amanda Browne glaubt, dass ich etwas über Mille weiß, was ich nicht erzähle … sie schickt mir mehrmals in der Woche eine SMS … ich glaube, sie ist verrückt geworden … Er wollte nicht länger daran denken.
    Siri schaltete das Radio aus und richtete sich auf. Jon versuchte, ein Thema zu finden, ein unverfängliches, aber Siri kam ihm zuvor.
    »Nach Mille hat niemand mehr hier gewohnt. Hast du daran schon gedacht?«
    Er spürte ein Kribbeln im Gaumen. Sein Herz pochte.
    »Nein.«
    »Warst du in der Nacht hier drinnen, in der sie verschwand?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Nein, war ich nicht. Ich wusste ja, dass sie nicht zurückgekommen war, dass sie nicht da war, warum hätte ich hier reingehen sollen?«
    Siri sah ihn an.
    »Manchmal frage ich mich, ob du bei allem lügst, Jon. Du kannst nichts dafür. Es passiert einfach.«
    Jon seufzte.
    »Wie kommst du bloß darauf? Was habe ich jetzt schon wieder getan? Suchst du Streit, oder was?«
    »Ich habe nur gefragt, ob du in der Nacht, in der sie verschwand, hier im Nebengebäude warst.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »War vielleicht etwas zwischen euch beiden?«
    Jon stand auf und schrie.
    »Jetzt hör auf damit, verdammt noch mal. Was ist mit dir los?«
    »Ich dachte, du hättest dich vielleicht ein wenig in sie verguckt, in die kleine mondschöne Mille, du magst sie ja jung, oder nicht?«
    Jon sah Siri lange an.
    »Was willst du?«, fragte er. »Worauf willst du hinaus?«
    Sie hatte hellrote Wangen. Leise sagte sie, und was sie sagte, kam irgendwo aus ihrem tiefsten Innern: »Vielleicht hast du dich ja auch nicht in Paula Krohn verguckt?«
    Jon setzte sich aufs Bett. Paula Krohn. Was redete sie da? Paula Krohn, das war Ewigkeiten her! Paula Krohn, das lag Jahre zurück! Paula Krohn …?
    »Was?«, stammelte Jon. »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Ja, jetzt bist du sicher überrascht«, sagte Siri. Ihre Hand zitterte. »Du hast vielleicht geglaubt, ich wüsste nichts von Paula Krohn.«
    »Aber«, unterbrach er sie, »aber … Scheiße.«
    Siri stand auf und begann, Worte zu rezitieren, er hatte keine Ahnung, worum es ging, um eine Mail, etwas, das sie auswendig gelernt hatte, etwas, das sie sich Jahr für Jahr eingeprägt hatte, am liebsten wäre er aufgestanden und hätte ihr den Mund zugehalten, hätte sie zum Schweigen gebracht. Das hier war nicht real. Es war einfach nur ein einziges Missverständnis. Er konnte sich kaum an die Mail erinnern. Welche Mail? Er konnte sich kaum an Paula Krohn erinnern. Blond. Hübsch. Etwas dick. Und etwas ungeschickt, als es so weit war. Sie hatte vor allem eine große Klappe, und das hatte ihn wohl gereizt. (Aber das konnte er schlecht sagen.) Sie hatten im Anschluss an Siris und Jons Aufenthalt in Sofias Haus in Slite ein paar missglückte sexuelle Begegnungen gehabt. Zuerst die Nacht in einem Hotel in Örebro, und später weitere Treffen, einmal bei ihr zu Hause, in einem Kinderzimmer, er erinnerte sich, dass er auf einem schmalen IKEA -Bett lag, während sie sich auf ihm wand, und dass er genau auf drei blaue Königskronen aus Pappe starrte, mit Glitter und feiner Schrift verziert. Die Kronen lagen nebeneinander auf einem Regal am Fenster, Benjamin 3 Jahre stand auf der einen Krone, Benjamin 4 Jahre stand auf der zweiten, Benjamin 5 Jahre stand auf der dritten, und er fragte sich, warum sie mit ihm im Kinderzimmer schlafen wollte, im Zimmer des kleinen Königs Benjamin, warum nicht im Ehebett, wo sie doch eine offene Ehe führte, oder auf dem Sofa oder wo auch immer, verdammt noch mal, nur nicht hier, nicht im Zimmer des kleinen Benjamin, und er erinnerte sich, dass sie brüllte, als sie kam.
    Das erste Mal waren sie jedoch in einem Hotel in Örebro gewesen. Es war auch dort schon schwierig. Bei Paula Krohn war alles schwierig, darum hatte er auch Schluss gemacht. Oder hatte sie Schluss gemacht? Er war in jedem Fall erleichtert gewesen, sie aus seinem Leben streichen zu können. Er erinnerte sich, dass Leopold den Kopf auf die Bettkante gelegt und ihn angestarrt hatte, als er von hinten in sie eingedrungen war.

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