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Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Titel: Das Verschwiegene: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linn Ullmann
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fremden Stadt verlieren. Will nicht von Insekten träumen. Will nicht davon träumen, dass ich den Tod anderer Menschen auslöse. Der Schlaf macht dich wehrlos. Der Schlaf verrät dich.
    Meistens lag Siri allein im Bett, wenn Alma nachts erwachte. Jon schlief auf dem Dachboden. Mama und Papa taten so, als schliefen sie zusammen, es war ihnen wichtig, dass alle in dieser Familie wenigstens so taten , als schliefen sie in den Betten, in denen sie schlafen sollten.
    Alma rannte gern auf Jon zu und warf sich ihm in die Arme, doch jetzt war sie so groß und schwer geworden, dass er sie fast nicht mehr aufzufangen vermochte.
    Was du mit zwölf Jahren machen kannst: Du kannst stillsitzen und Tee trinken, während deine Mutter schreiend mit einem Haar vor deinem Vater herumwedelt, du kannst von Seerosen träumen, du kannst um dein Leben rennen und von den Armen eines Mannes aufgefangen werden, der dich nicht halten kann.
    »Denk an Papas Rücken«, rief Siri jedes Mal, wenn Alma sich ihm in die Arme warf.
    Siri bekam ständig Komplimente für ihre Haare – und das gefiel ihr sehr. Sie tat so, als mochte sie es nicht oder als wäre es ihr egal, aber das stimmte nicht. Sie konnte nicht genug Komplimente und Lob bekommen. Siri bekam rote Wangen und eine rote Nase, und ihre Augen wurden zu Schlitzen und schmalen Bögen, sobald jemand etwas Nettes zu ihr sagte.
    Und jetzt sagte Siri: »Geht nach draußen Blumen pflücken, damit wir die Tische damit verzieren können.«
    Als wären Alma und Liv ihre kleinen Blumenmädchen. Darum liefen sie mit Mille über die Blumenwiese.
    Alma begriff den Sinn dahinter nicht. Oma wollte doch gar nicht feiern. Das hatte sie Alma selbst erzählt, als sie mit dem alten Opel im Vollgas die Straße zum Kai hinuntergerast waren. Drei Tage vor dem Geburtstag war das gewesen, und Jenny hatte in der Stadt Besorgungen zu erledigen. Und wie so oft nahm sie Alma mit.
    »Ich will diese Geburtstagsfeier nicht«, sagte sie und fuhr fast in den Graben. »Ich verstehe nicht, warum deine Mutter darauf besteht. Ich bekomme Bauchschmerzen davon … will nur noch weg … alle miteinander beschimpfen.«
    Jenny wollte sich einen Lippenstift, ein paar Strumpfhosen und einen neuen Roman kaufen, von dem sie in einer englischen Zeitschrift gelesen hatte, deren Abonnentin sie war. Das Mädchen in der Buchhandlung, in der Jenny selbst so viele Jahre gearbeitet hatte, hatte weder von dem neuen Roman noch vom Autor oder der englischen Zeitschrift je gehört, offensichtlich kannte sie auch Jenny nicht, und sie hatte keine Ahnung, wie dieser aktuelle Roman eventuell zu beschaffen sei. Alma hatte dabeigestanden und zugesehen, wie ihre Oma, ohne die Stimme zu heben, das großäugige, übertrieben geschminkte Mädchen attackiert hatte.
    Spuck das Kaugummi aus! Wisch dir das Schwarze um die Augen weg! Lies eine Zeitung! Fang an zu leben!
    Schließlich hatte Alma ihre Oma in den Arm genommen und geflüstert, sie könne ihr das Buch gern im Internet bestellen. Das sei nicht schwierig. Das könnten sie machen, sobald sie nach Hause kämen. Daraufhin hatte Jenny Alma angeschaut und gesagt, es sei gut, dass es auf der Welt jemanden gebe, der aufgeweckt und annehmbar sei.
    Die Blumenwiese und der Wald lagen hinter dem Haus. Vor dem Haus war der große Garten, und im Garten hatte Irma eine Reihe Biertische aufgestellt, anschließend hatte Jon ihr geholfen, zwischen den Bäumen zwei alte Baumwollsegel aufzuspannen für den Fall, dass es Niederschlag gab. Früh am Morgen des großen Tages hatte Siri weiße Damastdecken auf die Tische gelegt, die im Wind flatterten, doch als es nach ein paar Stunden zu nieseln begann, rannte sie in den Garten und nahm die Decken eine nach der anderen wieder ab, hängte sie überall im Haus auf, über Stühle, Türen, das Treppengeländer, und als etwas später die Sonne hervorkam, ging sie in ihrem abgewetzten weißen Kleid in den Garten und legte die Tischdecken wieder auf, doch dann kam der Nebel, und sie nahm sie wieder weg.
    Alma und Liv saßen nach wie vor im Nachthemd auf dem Wohnzimmersofa und drückten ihre Gesichter an die Scheibe. Sie beobachteten ihre Mutter, die sich nicht entscheiden konnte, ob die Decken auf den Tischen bleiben sollten oder nicht.
    »Tischlein deck dich mit Gesottenem und Gebratenem«, flüsterte Alma Liv zu, daraufhin lachte Liv, zog die Nase kraus und sagte, Mama sehe toll aus in dem Nebelmeer da draußen, wie sie mit den weißen Tüchern zwischen den Tischen

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