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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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bleiben? Ich müsste neu damit anfangen und weiß nicht, ob ich sie heute so gut vertrage wie vor vier Jahren.«
    Sybille sah Maren entgeistert an. »Willst du damit sagen, dass du seit Jahren nicht verhütest?«
    Maren versuchte zu erklären: »Es gab doch keinen Grund. Dieses letzte Mal mit Rolf auf Fuerteventura war ein Ausrutscher, der zum Glück ohne Folgen blieb.«
    »Ausrutscher«, wiederholte Sybille ungläubig und starrte Maren verständnislos an. »Und letzte Nacht? Habt ihr da …?«
    »Bloß keine Gummis«, fiel ihr Maren ins Wort. »Das hätte nur die schöne Stimmung ruiniert!«
    »Ich glaub’s nicht«, flüsterte Sybille. »Du willst mir doch nicht sagen, dass du als erfahrene Frau es fertiggebracht hast …«
    »Jetzt stell dich nicht so an«, unterbrach Maren. »Erst neulich habe ich in einer Broschüre bei meiner Frauenärztin gelesen, dass nach dem dreißigsten Lebensjahr die Fruchtbarkeit von Frauen deutlich sinkt. Was denkst du, warum so viele, die es erst nach dreißig versuchen, nicht schwanger werden?«
    Sybille würgte einen Bissen ihres Brötchens hinunter, als sei es ein dicker Kloß. Ihre Augen schimmerten feucht, was Maren zunächst auf die Krümel im Hals zurückführte. Sybille tupfte sich mit einer Papierserviette die Wangen ab, doch die Tränen ließen sich nicht zurückhalten. Maren musterte sie besorgt.
    »Ich ahne es schon«, wisperte Sybille schließlich und unterdrückte dabei ein Schluchzen. »Du bist diejenige von uns beiden, die ohne Anlauf und Vorbereitung einen Volltreffer landet. So ist das mit dir. Du tust nichts und hast am Schluss die Nase vorn. Und ich? Du hast doch schon ein Kind!«
    Maren fuhr auf: »Mensch, Bille, ich hatte keine Ahnung, dass du schwanger werden willst. Und bis jetzt hat es noch nicht geklappt?«
    Sybille nickte. Maren kam um den Tisch herum und drückte Sybilles Schultern.
    »Das tut mir so leid. Ich dachte immer, du und Harry, ihr geht beide so auf in euren Jobs, dass Kinder für euch gar nicht in Frage kommen.«
    Sybille schüttelte den Kopf. »Ich bin bald fünfunddreißig, und Harry ist vierzig! Da läuft einem die Zeit davon. Und auf einmal hast du nur noch einen Gedanken im Kopf. Hat es diesmal geklappt oder nicht? In der ersten Hälfte des Monats misst du Temperatur und hoffst, dass du dir nicht gerade eine Erkältung einfängst, die das Ergebnis verfälscht. Dein Badezimmer wird zum Labor, dein Schlafzimmer zur Besamungsstation. Wenn Harry plötzlich während meiner fruchtbaren Tage auf Dienstreise muss, krieg ich die Krise. Unsere Beziehung definiert sich plötzlich nur noch in dieser Richtung. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, alles entspannt anzugehen. Aber mit jedem negativen Testergebnis zieht es mich tiefer in den Keller. Vorgestern, als Vera zum Arzt musste und wir ihre Kinder hüteten, ertappte ich mich plötzlich bei dem Gedanken, was wäre, wenn ich mir einfach die Kinder schnappen und mit ihnen ins Ausland verschwinden würde. Und weißt du was? Ich hab nicht mal ein Unrechtsbewusstsein verspürt. Irgendwie hatte ich sogar das Gefühl, diese Kinder stünden mir zu, weil Vera sich nicht so gut um sie kümmert, wie ich das täte. Das ist doch bedenklich, oder?«
    Maren streichelte Sybilles Oberarme. »Warum hast du mir denn nie davon erzählt? Ich hätte dir vielleicht helfen können.«
    »Du hattest ganz andere Probleme«, wehrte Sybille ab.
    »Aber das heißt ja nicht, dass ich dich nicht verstehen kann. Ich weiß doch, was Julia mir bedeutet, und kann mir sehr gut vorstellen, was mir fehlen würde, wenn sie nicht da wäre«, entgegnete Maren.
    Sybille schüttelte Marens Hände ab. »Jetzt fang bitte nicht auch noch an, mir von Julia vorzuschwärmen! Ich betrachte dich längst unter einem anderen Blickwinkel. Ich beneide dich, dass du Mutter sein kannst. Deshalb war vorhin auch mein erster Gedanke, als du mir sagtest, dass du nicht verhütet hast: Jetzt wird sie schwanger und ich nicht! Ich spüre förmlich, wie die Spermien in dir um die Wette laufen und vielleicht genau jetzt, während ich hier sitze, dir ungewollt etwas bescheren, wonach ich mich mit jeder Faser meines Herzens sehne.«
    Maren setzte sich wieder auf ihren Stuhl und fragte nervös lächelnd: »Genau jetzt, meinst du?«
    Sybille nickte. »Und er? Weiß er, dass du nicht verhütet hast?«
    Maren biss sich auf die Lippen. »Vermutlich nicht. Wir haben nicht darüber gesprochen. Sicher hat er angenommen, ich würde die Pille nehmen und dass ich ihn darauf

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