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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Modelleisenbahnbesitzer, Kindheitsträume in die Erwachsenenwelt hinübergerettet hatte und dort weiter kultivierte? Oder steckte mehr dahinter? Was hatte die Kling während der Shiatsu-Behandlung zu ihm gesagt? Ein totes Kind gehabt zu haben ist besser als …? Das Kind war das Motiv!
    Er stand starr wie eine Statue. Innerlich durchströmte ihn plötzlich ein Gefühl tiefer Gewissheit. Sie war es! Sie ist die Täterin, die wir suchen. Er konnte es körperlich aus dieser Umgebung erspüren, absaugen und nachempfinden. Etwas war geschehen, das die inneren Dämonen der Kling geweckt hatte.
    Stephan löste sich aus seiner Erstarrung und legte die Puppe behutsam wieder in die Wiege zurück. Unglaublich, wie echt sie aussah! Er zog die bestickte Decke über den Körper und richtete sich ernüchtert auf. Die schwierigste Aufgabe in der nächsten Zeit würde sein, der Kling etwas nachzuweisen. Nachdenklich und dennoch mit routinierter Vorsicht verließ er das Haus durch den Vordereingang und machte sich auf den Rückweg zum Präsidium. Zu dieser Tageszeit war die stille Wohnstraße menschenleer. Am einfachsten würde es jetzt sein, anhand der DNS und der Faserspuren zu ermitteln, dass die Kling Hatice Ciftci sehr nahe gekommen war. Vermutlich passte ihre DNS auch zu der Teetasse bei Svenja Stummer. Das würde jedoch als Beweis für die Morde nicht ausreichen. Die Spuren waren illegal gesichert worden. Ein guter Anwalt würde das schnell zerpflücken. In einem dunklen Winkel seines Kriminalistengehirns reifte bereits eine Idee, wie er die Kling aus der Reserve locken könnte. Er allein? Sollte er wirklich wieder den einsamen Wolfspfad beschreiten? Es würde ihm Genugtuung bereiten, Heck sehr bald mit dem erfolgreichen Ergebnis zu konfrontieren, vor allem, da er ihn heute Morgen so kalt ausgebremst hatte. Dennoch! Heck war schwer in Ordnung. Stephan wählte seine Handynummer.
    *
    Als Stephan am Spätnachmittag in der Wittelsbacher Allee eintraf, begegnete er Maren bereits im Vorgarten an den Mülltonnen. Sie befand sich im Streit mit einem älteren Herrn, der mit einem Blaumann bekleidet war und durch seine Haltung deutlich signalisierte, dass er rund um die Tonnen das Sagen hatte. Kaum hatte Maren Lars Stephan entdeckt, band sie ihn in die Auseinandersetzung mit ein. Sie deutete auf den Mann und rief: »Dieser blaue Uhu will mir glatt verbieten, das Papier in die Tonne zu werfen!«
    »Vorsischd!«, fauchte der Mann mit deutlich hessischem Akzent.
    Maren zeigte unbeeindruckt auf einen Stapel alter Zeitschriften, den sie zu ihren Füßen abgestellt hatte. Wie sah Maren überhaupt aus? Ihre Haare waren straff und lieblos zurückgebunden. Spinnweben hingen in den feuchten Strähnen. Auf ihrer Stirn glänzten Schweißperlen. Ihre Hände und Unterarme waren von schwarzen Wolken überzogen. Stephans Blicke glitten mit leichtem Entsetzen über ein weites, fleckiges T-Shirt, ausgebeulte Leggins und verdreckte, alte Turnschuhe. Nun erschien Sybille in der Toreinfahrt. Er erkannte sie nur an dem frischen, rundlichen Gesicht und den Locken, die unter der blauen Schirmmütze hervorquollen. Passend zur Mütze trug sie eine blaue Latzhose, die über ihren Rundungen spannte. Sie erinnerte ihn an Schweinchen-Schlau, jene Disneyfigur aus fernen Kindertagen. Sybilles Erscheinung schien dem Uhu besser zu gefallen, jedenfalls wurde sein Gesichtsausdruck milder. Er deutete auf den überfüllten Karton, den Sybille ächzend vor sich herschob.
    »Awwer Sie könne mer doch net an aam Tach sämdlische Tonne vollmache! Es gibt doch ach noch annere Leut hier im Haus. Die Babiertonn werd net jede Woch geleerd!«
    Maren schien sich durch Lars Stephans Anwesenheit gestärkt zu fühlen. Sie öffnete den Deckel der grünen Tonne, warf ihren Papierstapel hinein und drückte ihn mit beiden Händen nach unten.
    »Halt! So geht des nett!«, brüllte der Uhu. Er stürzte sich auf die Tonne, zog das Papier wieder heraus und warf es Maren vor die Füße. Maren blitzte Stephan an.
    »Lars!«, rief sie schrill. In diesem einen Wort steckte eine ganze Litanei von Aufforderungen an ihn, für Klarheit zu sorgen und es dem blauen Uhu zu zeigen. Selbst Schusswaffengebrauch hätte sie jetzt befürwortet.
    Lars allerdings erfüllte ihre Erwartungen nicht, sondern fragte: »Was, um alles in der Welt, macht ihr hier eigentlich?«
    »Wir räumen Andreas Wohnung auf«, erklärte Maren kühl und wischte sich mit dem Handrücken einen glitzernden Tropfen von der rabenschwarzen

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