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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Ree-Janes Zustand war es jedenfalls nicht.
    Sie legte den Kopf zurück und lächelte zur Verandalampe hinauf oder aber zu der Ansammlung von Motten, die tot oder im Fugue-Zustand darin lagen. »Rafe ist wundervoll, nicht?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Was? Was soll das heißen, ›Nein‹?«
    »Nein, er ist nicht wundervoll.«
    Wie zu einer vertraulichen Mitteilung beugte sie sich über ihre Sessellehne zu mir herüber. »Wir sind doch nicht etwa ein klitzekleines bisschen eifersüchtig, he?« Wieder ganz die Alte.
    »Wieso sollte ich auf Ralph eifersüchtig sein?«
    »Rafe, nicht Ralph.«
    »Wieso sollte ich auf Ray eifersüchtig sein?«
    » Rafe, Menschenskind. Rafe .«
    »Wieso sollte ich?«
    Ihr gerötetes Gesicht war, so hätte Emily Dickinson es bezeichnet, »hektisch«. »Ich meine nicht auf ihn. Ich meine eifersüchtig auf uns!«
    Ich gab mich verdutzt. »Wieso sollte ich auf uns eifersüchtig sein?« Ich hätte den ganzen Nachmittag so weitermachen können, sollte aber eigentlich seit zehn Minuten schon wieder in der Küche sein.
    Wütend hieb sie mit der Faust auf die Armlehne. »Nicht du und ich! Ich und Ralph.«
    »Rafe.«
    Sie fuhr abrupt hoch, so dass die Kufen ihres Schaukelstuhls zurückschnappten. »Ah, du hältst dich ja für so clever!«
    Wieder ganz die Alte.
    Während sie die Fliegengittertür zuknallte, legte ich die Hand auf ihren frei gewordenen Schaukelstuhl und schaukelte wild – ich, die große Ruhestifterin.
    Ich brannte natürlich darauf zu erfahren, was passiert war, und steuerte schnurstracks auf die Küche zu, wo meine Mutter mich gehörig zusammenstauchte.
    »Man sollte doch meinen, du könntest dich pünktlich hierher bewegen, um Mr Muggs zu bedienen.«
    Mr Muggs war die arme Seele, die ich durchs Speisesaalfenster erspäht hatte.
    »Fast eine Viertelstunde wartet der schon. Und Miss Bertha und Mrs Fulbright ebenfalls.«
    Ich stützte mich mit stocksteifen Armen auf die Anrichte auf. »Ich wurde auf der Veranda aufgehalten. Ree-Jane ist wieder da.«
    Meine Mutter klopfte mit dem Holzlöffel an einen Wasserbadtopf, der ihr himmlisch duftendes Hühnerfrikassee enthielt. »Ich weiß. Eine Krankenschwester hat ihre Mutter heute früh aus dem Tri-State angerufen. Ralph hat sie abgeholt.«
    Ich wartete ab, doch es kam kein Kommentar mehr. Natürlich nicht, denn jetzt musste ja das Essen serviert werden. Sie hatte auf den Tellern schon geteilte Buttermilchbrötchen angerichtet, über die sie nun jeweils das Hühnerfrikassee gab und das Ganze sodann mit einem kleinen Pimentstreifen und einem Petersilienzweiglein garnierte. Dann kamen ihre prallen grünen Erbsen und je eine geschmorte Tomate dazu. Sorgfältig wischte sie ein wenig überschüssige Soße vom Tellerrand ab. Es sah, wie immer, kunstvoll aus. Manchmal streute sie auch noch eine Mischung aus gemahlenen Erdnüssen, Paprikapulver und einem Geheimgewürz über das Gericht, heute jedoch nicht.
    Ich schnappte mir das Tablett, polterte in den Speisesaal, vorbei an Miss Bertha, die mich gleich anbellte. Oder anknurrte. Es klang weniger nach »Emma« als vielmehr nach »Rummma«.
    Ich segelte aber einfach an ihr vorbei und stellte das Tablett auf ein Serviertischchen neben Mr Muggs’ Zweiertisch.
    »Ah, das sieht ja köstlich aus, Emma.« Er steckte sich seine Serviette oben in den Hemdkragen und rieb sich die Hände. Ich füllte sein Wasserglas und fragte, ob er den Kaffee gerne gleich oder lieber erst später wolle. Er sagte: »Später«, und ich zog ab.
    »Ruuummmmma!«
    »Ja, Miss Bertha«, flötete ich hinüber, »ich bring Ihnen gleich Ihr Essen.« Ich balancierte mein leeres Tablett auf den Fingern und schwebte zurück in die Küche, ohne auf die Frage zu achten, die sie gerade stellen wollte.
    Beide Mittagessen waren fertig, und ich stellte sie aufs Tablett. Als ich sah, dass meine Mutter drüben am Backtisch beschäftigt war, tauschte ich den Piment auf Miss Berthas Teller flugs gegen ein Streifchen Chilipfeffer aus (der schärfste in der Pfefferfamilie, wie ich aus meinen diesbezüglichen Recherchen wusste). Ich nahm das Tablett hoch, fragte: »Was gibt’s zum Nachtisch?« und ging rückwärts in den Speisesaal.
    »Zauberinsel.«
    »Oh!«, säuselte ich geradezu verzückt, bevor ich das Tablett an Miss Berthas Tisch trug und die Teller hinstellte. Die stocherte in ihrem Essen bloß herum, während Mrs Fulbright murmelnd ihre Anerkennung kundtat.
    Ich ging zu Mr Muggs, der sein Hühnchen fast aufgegessen hatte. »Und zum Nachtisch

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