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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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nicht allzu sehr ausgewirkt. Allerdings lag das auch an den Kochkünsten meiner Mutter. Die würden manche Leute sogar noch gern als Henkersmahlzeit genießen.
    Ich verspeiste meine Eier und Pfannkuchen in Gesellschaft von Walter, der seinen Stapel Pfannkuchen in Ahornsirup ertränkte und mir zusehends weniger verrückt vorkam.
    Danach rief ich bei Axels Taxifirma an und bat darum, dass Axel mich abholte. Ich wartete auf der Veranda im Schaukelstuhl, bis Delbert kam.
    An Wahnsinn, Mord und Kindsentführung würde man nicht denken, wenn man in La Porte die Hauptstraße entlangfuhr oder um den Spirit Lake spazierte oder auf dem alten Bahnhof von Cold Flat Junction stand. Und doch hat sich an diesen tragischen Orten genau das zugetragen.
    Mr Gumbrel las laut vor, was ich für meine nächste Fortsetzung geschrieben hatte.
    Sie haben in dieser Zeitung bereits über den Ertrinkungstod von Mary-Evelyn Devereau vor vierzig Jahren im Spirit Lake gelesen. Er galt immer als »Unfall«. Ein Unfall war es aber nicht. Nein, es war kaltblütiger Mord. Mary-Evelyn wurde von ihren eigenen Schwestern ertränkt, die geisteskrank waren.
    Mr Gumbrel hörte auf zu lesen, machte ein Geräusch, das sich wie »hmm, hmm« anhörte. »Meinst du damit alle? Alle drei waren geisteskrank? Und zusammen haben sie das kleine Mädchen ertränkt?«
    »Ich wollte vermeiden, dass sich die Aufmerksamkeit auf eine Einzelne richtet.« Nein, wollte ich nicht. Ich wollte vermeiden, mehr zu schreiben, als ich musste. »›Elizabeth war die Erste‹, sagte Isabel, als sie die Waffe auf mich richtete. Was heißen soll, die Erste, die die Kleine unter Wasser gehalten hatte, vermute ich. Nur bei Iris bin ich mir nicht sicher. Sie war vielleicht ganz normal.«
    »Ich will dir sagen, was gut ist an der Geschichte, Emma: Sie liest sich ganz unterhaltsam.«
    Ganz unterhaltsam. Das hörte sich aber nicht so toll an. »Finden Sie es gut, wenn ich von drei Morden und einer Entführung erzähle? Und einem Mordversuch?« Dass ich selber nur um Haaresbreite entkommen war, vergaß ich immer wieder.
    »Ja, natürlich. Allerdings willst du dabei ja nicht, dass der Leser gejagt wird, der Katastrophe entgegen wie bei einem Zugunglück.«
    Ich machte eine Schnute. Ich wünschte, es hätte ein Zugunglück gegeben . »Okay. Ich will bloß nicht allzu geschwätzig werden. Manchmal fürchte ich, ich rede und rede …«
    »Nein, nein. Du schaffst damit einen Kontext, das ist alles. Und erzeugst Atmosphäre. Hör mal zu, das ist wirklich gut: ›Polizei verfolgt den Falschen.‹ Das packt einen doch gleich. Und dass der Leser erfährt, dass das Baby ein Junge war, kein Mädchen! Meine Güte, Emma, du hast da ja Quellen aufgetan!«
    Es geschah in einer warmen Sommernacht im Hotel Belle Rouen, landläufig bekannt als das Belle Ruin.
    Die Musik spielte. Der Mond schien. Es wurde getanzt. An ein Fenster gelehnt stand eine Leiter.
    Weil Mr Gumbrel nicht laut vorlas, schaute ich ihm beim Le sen über die Schulter. Wenn ich das mal so sagen darf: Die Konstruktion Musik-Mond-Tanz-Leiter gefiel mir sehr. Es klang alles so verträumt. Und unheimlich. Was hatte die Leiter da zu suchen? Nun, inzwischen weiß ich es: nichts.
    Ich hatte Gloria Spiker als Babysitterin nicht namentlich genannt, weil ich mir dachte, auf schlechte Presse kann sie verzichten. Es wusste ja sowieso jeder, wer die Babysitterin gewesen war.
    Aus dem gleichen Grund nannte ich auch Carl Mooma nicht als meine Quelle.

50. KAPITEL
    Sie war wieder da!
    Keine vierundzwanzig Stunden später war sie wieder da!
    Als ich so gegen eins von meinem Besuch beim Conservative zurückkam, saß Ree-Jane auf der vorderen Veranda, schaukelte vor sich hin und lächelte auf ihre typisch hohle Art ins Nichts – oder aber mich an, die ich gerade aus dem Taxi stieg.
    Nun aber prasselte dieses Lächeln auf mich hernieder, siegesgewiss gegen alles, was ihr im Weg stand. Wenn man einer Dampfwalze Lippenstift verpassen könnte, sähe es so aus, dieses niederträchtige Lächeln.
    Nachdem ich hinter Delberts Monolog die Taxitür zugeknallt hatte, stieg ich die Stufen hoch. »Du bist ja früh auf.« Ich ließ mich auf den Sessel neben ihr plumpsen.
    Das brachte sie aus dem Konzept. »Was?«
    Ich gähnte, als wäre sie gar nie fort gewesen.
    Sie schob ihre silbernen Armreifen rauf und runter. »Das war bloß temporär.«
    »Was denn?« Ihr Leben, hoffte ich.
    Sie war richtig frustriert. »Mein … Fugue-Zustand.«
    Was auch immer »Fugue« bedeutete,

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