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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Dinge den Kopf zu zerbrechen, von denen sie ohnehin lieber die Finger lassen sollten.« Er deutete auf die erste Bankreihe und meinte: »Das heißt, ausgenommen George Davis und ein paar andere.«
    Lou nahm schockiert zur Kenntnis, dass George Davis in der ersten Bank saß. Er trug saubere Kleidung, sein Haar war gekämmt, und er hatte sich rasiert. Lou musste sich widerstrebend eingestehen, dass er wirklich gut aussah. Aber von seiner Familie war niemand mitgekommen. Er hatte den Kopf im Gebet gesenkt. Ehe der Gottesdienst begann, wollte Lou von Cotton wissen, wie dieses Spektakel zu verstehen wäre.
    »George Davis kommt fast immer zu den Gottesdiensten«, sagte er, »doch er bleibt nie zum Essen. Und er bringt auch niemals seine Familie mit. So ist er nun mal. Ich habe früher gehofft, dass er herkommt und betet, weil er spürt, dass er für manche Dinge um Vergebung bitten muss. Inzwischen aber glaube ich, dass sein Erscheinen rein praktische Gründe hat. Er ist ein ziemlich berechnender Kerl.«
    Lou beobachtete, wie Davis betete, als hätte er Gott im Herzen, während in Wirklichkeit seine Familie allein und in Lumpen und Angst zu Hause saß und womöglich verhungert wäre, wenn da nicht Louisa Cardinal mit ihrem übergroßen Herzen gewesen wäre. Angesichts eines solchen Widerspruchs konnte Lou nur den Kopf schütteln. »Egal, was Sie tun«, sagte sie dann zu Cotton, »stellen Sie sich bloß nicht in die Nähe dieses Mannes.«
    Cotton musterte sie verwirrt. »Weshalb nicht?« »Sie könnten vom Blitz getroffen werden.« Dann lauschten sie stundenlang dem Prediger, saßen sich auf den harten Eichenbänken den Hintern wund und hatten angesichts der aufdringlichen Geruchsmischung aus Seife, Maiglöckchenparfüm und den schärferen Ausdünstungen all jener, die sich nicht die Mühe gemacht hatten, sich vor diesem Ereignis zu waschen, große Mühe, ein Niesen zu unterdrücken. Oz nickte zweimal ein, und Lou musste ihm jedes Mal einen heftigen Rippenstoß versetzen, um ihn zu wecken. Cotton sprach ein persönliches Gebet für Amanda, worüber Lou und Oz sich aufrichtig freuten. Es schien jedoch, als wären sie in den Augen des ziemlich feisten Baptistenpredigers allesamt für die Hölle bestimmt. Jesus hätte für sie sein Leben hingegeben, meinte er, und sie wären ein jämmerlicher Haufen - er selbst eingeschlossen. Sie wären zu nichts anderem gut als zum Sündigen und dazu, Gott zu vernachlässigen. Dann kam der heilige Mann erst richtig in Fahrt, sodass alle Anwesenden nach kurzer Zeit den Tränen nahe waren oder zumindest zu zittern anfingen, als ihnen ihre völlige Nutzlosigkeit und die unendliche Schuld ihrer sündigen Seelen bewusst gemacht wurde. Danach ließ der Geistliche den Kollektenteller herumgehen und bat, ungeachtet ihrer Sündigkeit und absoluten Nutzlosigkeit, höflich um das Geld all der feinen Leute, die sich dort versammelt hatten.
    Nach dem Gottesdienst strömten alle nach draußen. »Mein Vater ist Pastor in Massachusetts«, sagte Cotton, als sie die Kirchenstufen hinunterstiegen. »Und auch er hat eine besondere Vorliebe für solche Feuer-und-Schwefel-Predigten. Eins seiner Idole war Cotton Mather, nach dem ich meinen seltsamen Namen habe. Und ich weiß auch, dass mein Vater tief enttäuscht war, als ich ihm nicht auf die Kanzel folgte. Aber so ist das Leben. Ich hatte nicht den inneren Antrieb, mich in die Dienste des Herrn zu stellen. Ich wollte nicht ins Predigerfach oder ein bestenfalls halbherziger Seelenhirte werden, nur um meinem Vater zu gefallen. Ich bin wirklich kein Fachmann in diesen Dingen, aber ich denke, dass jeder es irgendwann leid ist, durch die Dornen geschleift zu werden, nur um sich anschließend die Taschen von einer heiligen Hand ausräumen zu lassen.« Cotton lächelte verschmitzt, als er verfolgte, wie die Kirchgänger sich von den Speisen bedienten. »Aber ich denke, es ist ein fairer Preis, den man zahlt, um all diesen köstlichen Genüssen frönen zu können.«
    Die Speisen gehörten tatsächlich zum Besten, was Lou und Oz jemals gegessen hatten: gebackenes Huhn, mit Zucker konservierter Virginia-Schinken, Kohlwickel mit Speck, Maismehlpfannkuchen, mit zerlassener Butter übergossen, geröstetes Brot, Gemüseaufläufe, Bohneneintöpfe und warme Obstkompotte - alles ohne Zweifel nach heiligen und eifersüchtig geheim gehaltenen Familienrezepten zubereitet. Die Kinder aßen, bis sie nicht mehr konnten, und legten sich dann unter einen Baum, um sich

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