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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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emporgehoben, höher als die Rocky Mountains heute. Später seien die gewaltigen Gipfel durch Regen und Wind zu Hügeln abgetragen worden. Dann habe die Welt sich noch einmal geschüttelt, hatte Dad ihr erklärt, und das Gestein sei ein zweites Mal hochgedrückt worden, allerdings nicht ganz so hoch wie zuvor, und bilde seitdem die Appalachen, die wie drohende Hände zwischen Teilen Virginias und West-Virginias aufragten und sich von Kanada bis hinunter nach Alabama erstreckten.
    Die Appalachen hätten eine frühe Ausdehnung der Siedler nach Westen verhindert, lehrte Jack seine stets wissbegierige Lou, und die amerikanischen Kolonien lange genug zusammengehalten, um deren Unabhängigkeit von der britischen Krone zu erringen. In späterer Zeit hatten die Bodenschätze in den Bergen und deren Ausläufern dazu beigetragen, dass eines der größten Industriegebiete entstand, das die Welt je gesehen hatte. Trotzdem, hatte Jack mit einem resignierten Lächeln hinzugefügt, war der Mensch nie auf den Gedanken gekommen, sich bei den Bergen zu bedanken, die seiner Sache immer so dienlich gewesen waren.
    Lou wusste, wie sehr ihr Vater die Berge Virginias geliebt hatte und dass er vor den schroffen Felszinnen in Ehrfurcht erstarrt war. Oft hatte er Lou erzählt, dass etwas Magisches an einem Gebirgszug sei; er glaube fest daran, dass es im Gebirge Kräfte gebe, die mit Vernunft und Logik niemals zu erklären seien. Lou hatte sich häufig gefragt, wie ein Haufen Dreck und Steine, so hoch er auch war, ihren Vater derart beeindrucken konnte. Nun aber bekam sie zum ersten Mal ein Gespür dafür, denn etwas Vergleichbares hatte sie noch nie gesehen.
    Die baumbestandenen Erhebungen aus Erde und Schiefer, auf die Lous Auge zunächst gefallen war, hatten sich lediglich als erste Ausläufer erwiesen. Hinter diesen »Kindern« zeichneten sich bald die Umrisse ihrer größeren »Eltern« ab, der eigentlichen Berge. Sie schienen sich von der Erde bis zum Himmel zu erstrecken; so riesig und gewaltig, dass sie unnatürlich wirkten, wenngleich sie direkt aus der Erdkruste geboren waren. Und irgendwo da draußen in diesen Bergen lebte die Frau, nach der Lou benannt, der sie aber nie begegnet war. Trost und Misstrauen gleichermaßen begleiteten den Gedanken an Louisa Mae Cardinal. Für eine Schrecksekunde hatte Lou das Gefühl, als habe sie der ratternde Zug in ein fremdes Universum hineingetragen. Dann erkannte sie Oz neben ihr, und obwohl der kleine Kerl nicht gerade dazu angetan war, anderen Vertrauen einzuflößen, fühlte Lou sich augenblicklich ruhiger, weil er bei ihr war.
    »Ich glaube, wir kommen immer näher«, sagte sie und knetete Oz’ kleine Schultern, um die Anspannung zu lösen, die er einem neuerlichen Ansturm von Albträumen zu verdanken hatte. Lou und ihre Mutter hatten sich auf diesem Gebiet zu Experten entwickelt. Amanda hatte ihr einmal erzählt, sie habe nie jemanden gesehen, der so sehr von nächtlichen Albträumen geplagt werde wie Oz. Und es war nicht einfach damit getan, ihn später zu bemitleiden oder das Licht einzuschalten. Man musste für den kleinen Jungen da sein und ihn aus seinen körperlichen und geistigen Verknotungen befreien, so gut es eben ging.
    Das hätte Lous eigene Bibel sein können: Du sollst keine größere Pflicht haben, als deinen Bruder Oz zu beschützen. Dieses Gebot gedachte sie stets in Ehren zu halten, mehr als alle anderen.
    Der kleine Junge besah sich die Landschaft genauer. »Wo sind wir hier? Wohin fahren wir?«
    Lou zeigte aus dem Fenster. »Irgendwo nach da.«
    »Ob die Eisenbahn direkt vor dem Haus hält?«
    Lou lächelte über die Bemerkung. »Nein. Jemand wird uns wohl vom Bahnhof abholen.«
    Der Zug fuhr in einen Tunnel, der quer durch einen der Berge getrieben worden war, und schleuderte sie in eine noch tiefere Düsternis. Augenblicke später schossen sie aus dem Tunnel wieder ins Licht, und dann ging es steil nach oben! Der Aufstieg ließ Lou und Oz ängstlich aus dem Fenster schauen. Über ihnen zeigte sich eine Art Gerüst. Der Zug wurde langsamer und rollte auf eine Brücke, vorsichtig tastend wie ein Fuß, den man behutsam ins kalte Wasser am Rand eines Beckens steckt. Lou und Oz schauten in die Tiefe, konnten den Grund des Tals im noch schwachen Licht des Tages aber nicht erkennen. Es kam ihnen vor, als wären sie an den Himmel versetzt worden, irgendwie in die Lüfte erhoben von einem stählernen Vogel, der viele Tonnen wog. Dann, mit einem Mal, war der Zug wieder auf

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