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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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kleines Mädchen, stand vor Amanda; die Mutter hatte beide Arme um sie gelegt. Auf dem Bild schien ihrer beider Lächeln für immer festgehalten zu sein. Lou wünschte sich oft, sich wenigstens ein bisschen an diesen fernen Tag in der Vergangenheit erinnern zu können.
    Oz betrat das Zimmer, und Lou legte das Foto in den Koffer zurück. Wie üblich zeigte ihr Bruder einen verängstigten Gesichtsausdruck.
    »Kann ich hier bei dir bleiben?«, bat er.
    »In meinem Zimmer? Was stimmt denn nicht mit deinem?«
    »Es ist direkt neben ihrem.«
    »Du meinst neben Louisas?«
    Oz bejahte sehr leise, wie jemand, der vor Gericht aussagen musste. »Ja, und? Was ist denn so schlimm daran?«
    »Sie macht mir Angst«, gestand er. »Ehrlich, Lou.«
    »Sie hat uns doch bei sich aufgenommen, Oz.«
    »Und ich bin richtig froh, dass ihr gekommen seid.« Louisa stand in der Türöffnung und kam herein. »Entschuldigt bitte, ich hatte noch keine Zeit für euch. Ich hab mich erst mal um eure Ma gekümmert.« Sie schaute Lou an. »Und um das, was sie benötigt.«
    »Schon in Ordnung«, sagte Oz, während er zu seiner Schwester flitzte. »Du hast meine Schwester wohl ein bisschen erschreckt, aber ihr geht’s schon wieder gut.«
    Lou studierte das Gesicht der alten Frau, suchte nach Ähnlichkeiten mit ihrem Vater. Sie gelangte zu dem Schluss, dass es keine gab.
    »Wir haben sonst niemanden mehr«, sagte Lou.
    »Ich bin immer für euch da«, erwiderte Louisa Mae.
    Sie trat näher, und Lou entdeckte plötzlich doch noch winzige Details einer Ähnlichkeit mit ihrem Vater. Sie verstand jetzt auch, warum der Mund der Frau so eingefallen war. Sie hatte nur noch wenige Zähne, und die waren allesamt gelb oder sogar schwarz.
    »Tut mir leid, dass ich nich’ zur Beerdigung kommen konnte. Nachrichten brauchen immer lang bis hier.« Sie senkte kurz den Blick, als wäre sie von irgendetwas tief ergriffen, das Lou aber nicht erkennen konnte. »Du also bist Oz. Und du bist Lou.« Louisa zeigte auf sie beide, als sie ihre Namen nannte.
    »Das haben dir wohl die Leute erzählt, die uns zu dir geschickt haben«, sagte Lou.
    »Nein, das wusste ich schon lange vorher. Ihr beide könnt Louisa zu mir sagen. Hier gibt’s immer ’ne Menge zu tun, jeden Tag. Wir bauen alles an, was wir brauchen. Frühstück um fünf. Abendessen bei Sonnenuntergang.«
    »Um fünf Uhr morgens?«, rief Oz.
    »Und was ist mit der Schule?«, fragte Lou.
    »Die Schule heißt Big Spruce. Ist nur ’n paar Meilen von hier. Eugene wird euch am ersten Tag im Wagen mitnehmen, danach werdet ihr den Weg wohl auf Schusters Rappen zurücklegen müssen. Oder ihr nehmt die Stute. Die Maultiere kann ich euch nich’ geben, die werden tagsüber hier gebraucht. Aber das Pferd wird’s wohl auch tun.«
    Oz erbleichte. »Wir können doch gar nicht reiten.«
    »Ihr werdet’s schon lernen. Mit Pferd und Muli kommt man hier oben sowieso am besten voran, wenn man nich’ laufen will.«
    »Was ist mit dem Wagen?«, fragte Lou.
    Louisa schüttelte den Kopf. »Der kostet Geld, das wir ganz bestimmt nich’ haben. Eugene weiß, wie er funktioniert, und hat ’n kleinen Schuppen dafür gebaut. Er lässt ihn hin und wieder an, weil man das machen muss, damit er läuft, wenn man ihn wirklich mal braucht, behauptet er jedenfalls. Ich wollt’ das verdammte Ding nicht haben, aber William und Jane Giles von unten an der Straße haben’s mir damals geschenkt, als sie fortzogen. Kann damit nicht fahrn. Hab auch nicht vor, es noch zu lernen.«
    »Ist Big Spruce dieselbe Schule, auf die Pa gegangen ist?«, fragte Lou.
    »Ja, aber das Schulgebäude von damals gibt’s nicht mehr. Es war so alt wie ich und ist zusammengekracht. Aber ihr habt dieselbe Lehrerin. Veränderungen kommen hier genauso langsam an wie die Nachrichten. Habt ihr Hunger?«
    »Wir haben im Zug was gegessen«, sagte Lou, die den Blick nicht vom Gesicht der Frau abwenden konnte.
    »Gut. Eure Ma ist auf ihrem Zimmer. Ihr solltet jetzt zu ihr gehn.«
    »Ich würde lieber hier bleiben und mich ein bisschen umschauen«, sagte Lou.
    Louisa hielt die Tür auf. Ihre Stimme war sanft, aber fest: »Erst gehst du zu deiner Ma.«
    Das Zimmer war komfortabel - es hatte gutes Licht, und ein Fenster stand offen. Selbstgenähte Vorhänge, von der Feuchte gekräuselt und von der Sonne gebleicht, wehten leicht in der Brise. Als Lou sich umsah, wurde ihr klar, dass es wahrscheinlich viel Mühe gekostet hatte, diesen Raum in so etwas wie ein Krankenzimmer zu verwandeln.

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