Das Versprechen
Rest Gemüse und ein weiteres Stück von dem in Fett gebackenen Maisfladenbrot, das Lou besser schmeckte als jede Eiskrem.
Ihren eigenen Teller hatte Louisa nicht gefüllt.
»Du isst ja gar keinen Fisch, Louisa«, bemerkte Oz, als er schuldbewusst seinen Nachschlag betrachtete. »Hast du denn keinen Hunger?«
»So ’ne Mahlzeit is’ was für kleine Jungs, die noch groß und stark werden müssen. Ich hab schon beim Kochen was gegessen, Schatz. Mach ich immer so.«
Eugene blickte Louisa bei diesen Worten fragend an, wandte sich aber wieder dem Essen zu.
Diamonds Blick wanderte zwischen Lou und Oz hin und her. Er schien erpicht darauf, neue Freunde zu gewinnen, ohne genau zu wissen, wie er das anstellen sollte.
»Kannst du mir ein paar Stellen zeigen, an denen mein Dad gewesen ist?«, fragte Lou ihre Urgroßmutter. »Alles, was er gern gehabt hat? Weißt du, ich schreibe nämlich auch.«
»Ich weiß«, sagte sie, und Lou schaute sie überrascht an. Louisa setzte ihren Becher Wasser ab und sah Lou eindringlich ins Gesicht. »Dein Pa, der hat gern über das Land hier geschrieben. Aber bevor er das konnte, hat er erst mal was sehr Kluges getan.« Sie machte eine kurze Pause, während Lou sich den Kopf darüber zerbrach, was Louisa meinte.
»Was denn?«, fragte das Mädchen schließlich.
»Er lernte, Land und Boden zu verstehn.«
»Das Land und . den Boden?«
»Er enthält viele Geheimnisse, und nicht nur gute. Hier oben gibt es Dinge, die einem sehr wehtun können, wenn man nicht aufpasst. Das Wetter ist so unberechenbar, dass es dir das Herz bricht - und das Genick. Das Land hilft keinem, der sich nich’ bemüht, es zu verstehn.« Bei diesen Worten richtete sie den Blick auf Eugene. »Bei Gott, Eugene könnte Hilfe brauchen. Wenn er nicht so schuften würd, wär diese Farm nich’ mehr zu halten.«
Eugene aß ein Stückchen Fisch und spülte es mit einem Schluck Wasser hinunter, das er gerade aus einem Krug in sein Glas gefüllt hatte. Sein Mund verzog sich ein wenig, als Lou ihn anschaute. Sie wertete es als Lächeln.
»Jedenfalls ist es ein Segen, dass ihr zwei gekommen seid«, fuhr Louisa fort. »Einige Leute meinen vielleicht, ich würd nur euch damit helfen, aber das stimmt nich’. Ihr beide helft mir viel mehr als ich euch. Dafür bin ich euch dankbar.«
»Schon gut«, sagte Oz galant. »Freut uns, mit anpacken zu dürfen.«
»Du hast etwas von Hausarbeiten gesagt«, meinte Lou.
Louisa schaute Eugene an. »Es ist besser, dass ich ’s euch zeige, statt es zu erklären. Morgen fangen wir an.«
Diamond konnte sich nicht mehr zurückhalten. »Johnny Bookers Pa sagt, ein paar Leute hätten sich bei ihm umgeschaut.«
»Was für Leute?«, fragte Louisa mit einer Spur Schärfe in der Stimme.
»Keine Ahnung. Aber sie stellen Fragen über die Kohlebergwerke.«
»Halt die Ohren offen, Diamond.« Louisa blickte Lou und Oz an. »Und ihr auch. Gott hat uns dieses Stück Boden gegeben, und er wird uns zu sich holen, wenn er es für richtig hält. Bis dahin muss die Familie für sich selber sorgen.«
Oz lächelte und beteuerte, er würde seine Ohren so offen halten, dass Dreck reinkäme. Alle außer Lou lachten darüber. Das Mädchen schaute bloß Louisa an und schwieg.
Der Tisch war abgeräumt, und Louisa wusch das Geschirr, während Lou die Handpumpe der Spüle bediente, so wie die alte Frau es ihr beigebracht hatte, auch wenn dabei nur ein sehr dünner Wasserstrahl kam. Im Haus gab es keine sanitären Einrichtungen, hatte Louisa den Kindern erklärt, und ihnen die Außenanlagen sowie die kleinen Rollen Klopapier gezeigt, die in der Vorratskammer gestapelt waren. Nach Einbruch der Dunkelheit benötigte man eine Laterne, wenn man das Klo aufsuchen musste, und Louisa hatte Lou vorgeführt, wie man eine Laterne zum Brennen brachte. Außerdem gab es für jeden einen Nachttopf unter dem Bett, falls der Ruf der Natur einmal so dringlich sein würde, dass man es nicht mehr bis nach draußen schaffte. Louisa stellte sofort und kategorisch klar, dass die Reinigung des Nachttopfes seinem Benutzer vorbehalten blieb. Lou fragte sich, wie ängstlich ihr Bruder diese Anweisung aufnehmen würde, denn Oz war einsame Spitze, wenn es darum ging, mitten in der Nacht auf die Toilette zu gehen. Sie stellte sich vor, wie viele Abende sie draußen vor dem Klo verbringen würde, wenn Oz sein Geschäft verrichtete, und allein schon der Gedanke weckte Müdigkeit.
Direkt nach dem Essen waren Oz und Diamond zusammen mit Jeb
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