Das Versprechen
sich zwischen den Mann und ihren Bruder. »Lassen Sie uns in Frieden!«
»Gottverfluchte Göre«, sagte Davis, »willst du ’nem erwachsenen Mann vorschreiben, was er tun und lassen soll?« Er blickte Diamond an. »Du bist auf meinem Land, Junge!«
»Das is’ nich’ Ihr Land!«, sagte Diamond und ballte die Hände zu Fäusten. Sein besorgter Blick blieb auf das Gewehr gerichtet. »Das Land gehört keinem!«
»Willste damit sagen, ich bin ’n Lügner?« Davis’ Stimme war scharf und drohend.
In diesem Augenblick erklang der Schrei. Er wurde schriller und schriller, bis Lou glaubte, er würde die Bäume entwurzeln oder Lawinen am Berg auslösen. Und warum auch nicht? Mit ein wenig Glück würden die Felsmassen ihren Widersacher unter sich begraben. Jeb kam knurrend angesprungen; ihm sträubte sich das Fell. Davis blickte erschrocken zu den Bäumen hinüber.
»Sie ha’m doch ’n Gewehr«, sagte Diamond. »Dann holen Sie sich Ihre alte Bergkatze! Oder ha’m Sie Schiss?«
Davis’ Blick bohrte sich regelrecht in den Jungen; dann aber ertönte der Schrei erneut und traf sie bis ins Mark, und Davis trabte im Laufschritt zu den Bäumen.
»Worauf wartet ihr?«, rief Diamond, und sie liefen, so schnell sie konnten, zwischen den Bäumen hindurch und über offenes Feld. Eulen verspotteten sie mit ihrem unheimlichen
Ruf, und eine Virginische Wachtel wachtelte sie an. Unheimliche Dinge, die sie nicht erkennen konnten, flitzten die Eichenstämme hinauf und hinunter oder huschten vor ihnen her, doch keines konnte sie auch nur annähernd so in Furcht versetzen, wie es George Davis mit seiner Flinte geschafft hatte. Lou wirkte wie ein verwaschener Fleck in der Dunkelheit und lief sogar schneller als Diamond. Doch als Oz stolperte und fiel, machte sie kehrt und half ihm wieder auf die Beine.
Schließlich hielten sie an, kauerten sich keuchend und außer Atem ins hohe Gras und lauschten gebannt nach einem durchgedrehten Davis oder einer sich nähernden Wildkatze.
»Was ist das für ein schrecklicher Mann?«, fragte Lou.
Diamond schaute sich vorsichtig um, bevor er antwortete. »George Davis. Ihm gehört die Farm neben der von Miss Louisa. ’n harter Knochen. Ein übler Kerl! Ist als Baby aufn Kopf gefallen, oder ein Muli hat ihn getreten, was weiß ich. Er hat hier oben in irgend ’ner Senke ’ne Kornbrennerei. Deswegen mag er ’s nich’, wenn sich hier einer rumtreibt. Wünschte, jemand würd ihn endlich abknallen.«
Kurz darauf erreichten sie eine weitere kleine Lichtung. Diamond hielt eine Hand hoch, und alle blieben stehen. Dann zeigte er so stolz nach oben, als hätte er soeben Noahs Arche entdeckt, die auf einem schlichten Berggipfel Virginias gestrandet war.
»Da ist es!«
Der Brunnen bestand aus moosverkrustetem Bruchstein und war teils schon zerbröckelt; dennoch besaß er tatsächlich etwas Gespenstisches. Die drei schlichen darauf zu; Jeb sicherte ihren Marsch nach hinten, während er im hohen Gras kleinere Tiere jagte.
Sie spähten über den Rand der Brunnenöffnung. Schwarz und bodenlos erschien sie ihnen, als könnten sie durch den Brunnen hindurch auf die andere Seite der Welt blicken. Und als könnten alle möglichen Dinge, die im Brunnenschacht lauerten, ihrerseits zurückstarren.
»Wie kommst du darauf, dass er verzaubert ist?«, fragte Oz atemlos.
Diamond ließ sich neben dem Brunnen ins Gras fallen. Lou und Oz folgten seinem Beispiel.
»Vor ungefähr tausend Millionen Jahren«, begann Diamond mit dumpfer, spannungsgeladener Stimme, die Oz’ Augen gleichzeitig größer werden und blinzeln ließ, bis ihm die Tränen kamen, »lebten hier oben ’n Mann und ’ne Frau. Die beiden warn verliebt, is’ ja klar, und wollten natürlich heiraten. Aber die Familien von den beiden konnten sich nicht ausstehen und wollten nix von Hochzeit wissen. No, Sir! Also wollten die beiden durchbrennen. Aber irgendwas ging schief, und der Kerl dachte, die Frau hätt sich umgebracht. Der war so was von fertig, dass er hierher kam und in den Brunnen sprang. Und der is’ ganz schön tief, ihr habt’s ja gesehen. Tja, der Kerl ertrank. Inzwischen hatte sein Mädchen rausgefunden, was mit ihm passiert war. Sie kam auch hierher und sprang hinterher. Sind nie wieder aufgetaucht, die beiden. Blieben wie vom Erdboden verschluckt. Nicht ’n Fitzel davon übrig.«
Lou zeigte sich völlig unbeeindruckt von diesem traurigschönen Märchen. »Klingt ganz so wie Romeo und Julia.«
Diamond schaute verwirrt. »Verwandte
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