Das Versprechen
draußen verschwunden. Lou beobachtete, wie Eugene das Gewehr aus der Halterung am Kamin nahm. Er lud die Waffe und verließ schweigend das Haus.
»Was hat er mit dem Gewehr vor?«, fragte Lou.
Louisa schrubbte die Teller kraftvoll mit einem gehärteten Maiskolben. »Er sieht nach dem Vieh. Wir müssen auf die Kühe und Schweine Acht geben. Old Mo treibt sich wieder rum.«
»Old Mo?«
»Ein Berglöwe. Old Mo ist ungefähr so alt wie ich, aber diese verdammichte Katze ist noch immer ’ne echte Plage. Nicht unbedingt für Menschen, auch nicht für die Stute und die Maultiere, Hit und Sam. Leg dich nie mit Mulis an, Lou. Das sind die härtesten Viecher, die Gott je geschaffen hat. Diese verdammichten Biester nehmen dir einfach alles übel, bis zum Jüngsten Tag. Die vergessen niemals ’n Peitschenhieb oder ’n Tritt mit den Sporen. Manche behaupten, Maultiere wärn fast so klug wie Menschen. Vielleicht sind sie deshalb so böse.« Sie lächelte kurz. »Aber Old Mo hat’s auf Schafe, Schweine und Kühe abgesehn. Also müssen wir die beschützen. Es reicht, wenn Eugene nur mal mit dem Gewehr schießt, dann haut Mo schon ab.«
»Diamond erzählte mir, dass Eugene von seinem Vater hier ausgesetzt und zurückgelassen wurde.«
Louisa blickte sie streng an. »Alles Lüge! Tom Randall war ein guter Mann.«
»Was ist denn aus ihm geworden?«, bohrte Lou weiter, als Louisa keine Anstalten machte, weiter zu erzählen.
Louisa spülte erst noch einen Teller ab und stellte ihn zum Trocknen hin. »Eugenes Mutter ist jung gestorben. Tom hat das Baby hier bei seiner Schwester gelassen und ist rüber nach Bristol, Tennessee, gegangen, um Arbeit zu finden. Er war hier oben Bergmann gewesen, aber es kamen damals ’ne Menge Leute, die unter Tage arbeiten wollten, und die Neger werden immer als Erste entlassen. Und bevor Tom Eugene zu sich holen konnte, kam er bei ’nem Unfall ums Leben. Als Eugenes Tante dann auch noch starb, hab ich ihn halt genommen. Alles andere, was erzählt wird, das sind nur Lügen von Leuten, die Hass in ihrem Herzen haben.«
»Weiß Eugene das?«
»Natürlich! Ich hab’s ihm selbst erzählt, als er alt genug war.«
»Warum sagst du dann nicht auch den Leuten die Wahrheit?«
»Die Leute hören nichts, was sie nicht hören wollen, egal, wie sehr du ’s versuchst.« Sie schaute Lou kurz an. »Kannst du das verstehn?«
Lou nickte, doch in Wahrheit war sie nicht ganz überzeugt, dass sie es verstand.
KAPITEL 11
Als Lou nach draußen ging, sah sie Diamond und Oz am Zaun der Koppel stehen, auf der das Pferd graste. Als Diamond Lou entdeckte, nahm er ein Zigarettenpapier und ein Häufchen Tabak aus der Tasche, rollte sich eine Zigarette, riss am Zaun ein Streichholz an und entzündete die Selbstgedrehte.
Oz und Lou starrten verblüfft. »Du bist zu jung für so was!«, rief Lou.
Diamond wischte ihren Protest mit einer Handbewegung fort und zauberte ein freundliches Lächeln auf sein Gesicht. »Pah, ich bin groß genug, ’n Mann is’ ’n Mann.«
»Aber du bist nicht viel älter als ich, Diamond.«
»Das is’ hier oben ziemlich egal.«
»Wo wohnst du eigentlich mit deiner Familie?«, fragte Lou.
»Unten an der Straße, ’n Stück weit weg.«
Diamond zog einen Baseball aus der Tasche und warf ihn. Jeb rannte hinterher und brachte ihn zurück.
»Ein Mann hat mir den Ball geschenkt, weil ich ihm die Zukunft vorhergesagt hab.«
»Und was hast du ihm gesagt?«, fragte Lou.
»Dass er ’nem Burschen namens Diamond seinen alten Ball schenken würde.«
»Es ist schon spät«, sagte Lou. »Machen deine Eltern sich keine Sorgen?«
Diamond stippte die Selbstgedrehte an seinem Overall aus und klemmte sich die Kippe hinters Ohr, während er erneut den Ball warf. »Nee, kein bisschen. Wie ich schon sagte, bin groß genug. Muss nix tun, was ich nich’ tun will.«
Lou zeigte auf etwas, das an seinem Overall herabhing. »Was ist das da?«
Diamond schaute verlegen und grinste. »Die linke Hinterpfote von ’nem Friedhofskaninchen. Außer ’nem Kalbsherz der beste Glücksbringer überhaupt. Schitte, bringen sie euch in der Stadt eigentlich gar nix bei?«
»Ein Friedhofskaninchen?«, fragte Oz.
»Jawoll, Sir! Gefangen und abgemurkst in schwärzester Nacht aufm Friedhof.« Er nahm die Pfote von dem Bändchen und gab sie Oz. »Hier, Sohn, ich kann mir jederzeit ’ne neue holen, wenn ich will.«
Oz hielt die Pfote ehrfürchtig vor sich. »O Mann! Danke, Diamond.«
Oz beobachtete, wie Jeb hinter
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