Das Versprechen
gutmachen? Du Schwachkopf!«
»Er is’ von meinem Urgroßvater. Hundert Jahre alt! Ein Mann in Tremont wollte mir schon zwanzig Dollar dafür geben.«
Bei diesen Worten hellten Davis’ Augen sich auf. »Lass mal sehen.«
»Nee. Nehmen Sie ihn, oder lassen Sie ’s bleiben. Ich sag die Wahrheit. Zwanzig Dollar. Monroe Darcy hieß der Mann. Ihm gehört der Laden in Tremont. Sie kennen ihn.«
Davis schwieg einen Augenblick. »Gib her.«
»Diamond«, rief Lou, »tu das nicht.«
»Ein Mann muss seine Schulden bezahlen«, sagte Diamond. Er ging zu dem Wagen hinüber. Als Davis nach der Münze griff, zog Diamond sie zurück. »Wenn ich Ihnen die Münze geb, George Davis, sind wir quitt. Sie lassen sich nie wieder bei Miss Louisa blicken. Schwörn Sie!«
Davis machte ein Gesicht, als würde er Diamond liebend gern die Peitsche über den Rücken ziehen, doch er sagte: »Ich schwör’s. Jetzt gib schon her.«
Diamond schnippte Davis die Münze zu, der sie aus der Luft fischte. Er betrachtete sie, biss darauf und ließ sie in der Tasche verschwinden.
»Und jetzt verzieh dich, George«, sagte Louisa.
Davis starrte sie wütend an. »Das nächste Mal schieß ich nich’ daneben.«
Er wendete die Maultiere und den Wagen und fuhr in einem Staubwirbel davon. Lou schaute Louisa an, die das Gewehr im Anschlag hielt, bis der Mann endgültig verschwunden war. »Hättest du wirklich auf ihn geschossen?«, fragte sie.
Louisa sicherte die Waffe und ging ins Haus, ohne zu antworten.
KAPITEL 24
Zwei Tage später spülte Lou das Geschirr vom Abendbrot, während Oz am Küchentisch saß und sorgfältig Buchstaben auf ein Stück Papier malte. Louisa saß neben dem Jungen und half ihm. Sie sieht müde aus, ging es Lou durch den Kopf. Louisa war alt, und das Leben hier in den Bergen war nicht leicht; das hatte Lou bereits am eigenen Leib erfahren. Man musste um jede Kleinigkeit kämpfen. Und das hatte Louisa ihr Leben lang getan. Wie lange würde sie es noch schaffen?
Als Lou den letzten Teller abgetrocknet hatte, klopfte es an der Tür. Oz rannte hin und öffnete.
Cotton stand im Eingang. Er trug Anzug und Krawatte und hielt einen großen Karton unterm Arm. Hinter Cotton stand Diamond. Sein Gesicht war gewaschen und das Haar mit Wasser, wenn nicht sogar Frisierkrem geglättet. Er trug ein sauberes weißes Hemd und - Lou verschlug es beinahe den Atem - Schuhe. Na schön, man konnte seine Zehen sehen, aber immerhin waren die Füße des Jungen zum größten Teil bedeckt. Diamond deutete einen schüchternen Diener an, als würde es ihn zu einer Art Zirkusattraktion machen, gewaschen und beschuht zu sein.
Oz beäugte neugierig den Karton. »Was ist da drin?«
Cotton stellte den Karton auf den Tisch und ließ sich Zeit beim Öffnen. »Vieles spricht für das geschriebene Wort«, verkündete er, »doch nie dürfen wir den anderen großen Bereich schöpferischen Tuns vernachlässigen.« Mit einer eleganten Bewegung, die einem Varietekünstler zur Ehre gereicht hätte, nahm er das Grammophon aus dem Karton.
»Die Musik!«
Cotton zog eine Schallplatte aus ihrer Hülle und legte sie behutsam auf den Plattenteller. Dann drehte er kräftig an der Kurbel und setzte die Nadel auf. Einen Moment lang gab die wellige Schallplatte bloß ein lautes Kratzen von sich, dann wurde das Zimmer mit einem Klang erfüllt, in dem Lou die Musik Ludwig van Beethovens erkannte. Cotton schaute sich im Zimmer um und schob dann einen Stuhl bis an die Wand. Er gab den anderen Männern ein Zeichen. »Meine Herren, wenn ich bitten darf.« Oz, Diamond und Eugene folgten seinem Beispiel und hatten rasch eine freie Fläche in der Mitte des Raums geschaffen.
Cotton ging durch den Flur und öffnete die Tür von Amandas Zimmer. »Miss Amanda, heute können wir Ihnen den akustischen Genuss einer Auswahl bekannter Melodien bieten.«
Cotton kam zurück.
»Warum haben Sie die Möbel weggeschoben?«, wollte Lou wissen.
Cotton lächelte und zog sein Jackett aus. »Weil man sich Musik nicht nur untätig anhören sollte, sondern mit ihr verschmelzen muss.« Er machte eine tiefe Verbeugung vor Lou. »Darf ich Sie um diesen Tanz bitten, Ma’am?«
Lou ertappte sich dabei, wie sie bei dieser förmlichen Aufforderung errötete. »Sie sind ja völlig verrückt, also wirklich.«
»Mach schon, Lou, du bist ’ne gute Tänzerin«, sagte Oz und fügte hinzu: »Mom hat’s ihr nämlich beigebracht.«
Und sie tanzten. Unbeholfen zuerst, allmählich jedoch schwungvoller, und
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