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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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verrichtete sie diese Arbeit nackt oder in irgendeinem interessanten Aufzug. Heute trug sie ihr schlichtestes Nachthemd mit dem kleinsten Ausschnitt und einen eng geschnürten Flanell-Morgenmantel. Sie hatte eine Unterrichtsstunde vorzubereiten und keine Zeit für ausschweifendes Geschmuse.
    »Übrigens«, sagte er, als die Klinge sein Kinn verließ und einen Bogen durchs Sonnenlicht beschrieb. »Ich fürchte, ich muss dich leider bitten, dich im
Beecham’s
nicht mehr mit meinen Karten zu vergnügen.«
    »Wie bitte?« Ihre Hand erstarrte kurz über der Schüssel.
    »Die Besitzer machen sich Sorgen um ihren Ruf.« Er behielt die Augen geschlossen. »Eine Dame, die mit den Gentlemen spielt, erinnere ein wenig zu sehr an die weniger vornehmen Lasterhöhlen, hat man mir mitgeteilt. Es tut mir leid, Liebling. Ich weiß, wie gern du dieser Beschäftigung nachgegangen bist.«
    Nenn mich nicht Liebling!
Sie tauchte die Klinge ein. Wie er sie nannte, sollte ihre geringste Sorge sein.
    Sie hatte immer gewusst, dass es mit ihren Abenden am Spieltisch jederzeit vorbei sein konnte. Eigentlich hätte sie darauf vorbereitet sein sollen. »Mir war nicht bewusst, dass ich Anlass zu Missfallen gegeben habe.« Vierhundert und zehn Pfund lagen in der Schublade dort drüben am Fenster, und vierhundert und zehn Pfund reichten bei Weitem nicht aus.
    »Ich ebenfalls nicht, sonst hätte ich dich früher darauf aufmerksam gemacht. Jetzt sind wir beide klüger.«
    In der Tat. Das Rasiermesser schepperte gegen die Porzellanschüssel; das Geräusch verhalf Lydia zu neuer Entschlossenheit. Wenn ein Weg ihr versperrt war, dann würde sie eben einen anderen finden müssen. Sie streifte die Klinge wieder am Handtuch ab und legte einen unbeschwerten Tonfall auf. »Es gibt Spielhöllen, in denen Damen spielen?«
    »
Damen
würde ich sie nicht nennen.« Sein halb glatter und halb strubbliger Hals erbebte unter einem Kichern. »Verzweifelte Gestalten, und die Inhaber wissen es. Die haben keine Skrupel, einer Frau ihren letzten Penny aus der Tasche zu ziehen und sie dann mit … anderen Zahlungsmitteln weiterspielen zu lassen.«
    »Das klingt entsetzlich.« Noch ein langer Strich seinen Hals empor. »Man spielt also gegen das Haus und nicht gegeneinander wie im
Beecham’s

    »Oh ja. Der Kerl, der die Karten gibt oder das Rad dreht, ist ein Angestellter. Keine Chance, seine Schulden erlassen zu bekommen.«
    Keine Chance, sich am Stoß zu schaffen zu machen. Sie wirbelte die Klinge im Wasser herum und sah dann im Spiegel zu, wie sie eine Bahn auf seinem Hals von Bartstoppeln befreite. »Warum sollte man zu derartigen Konditionen spielen? Nie Bankier zu sein ist doch bei Spielen wie Vingt-et-un, wo man bei Gleichstand verliert, ein erheblicher Nachteil.«
    »Die Regeln sind anders.« Aha, jetzt wurde es spannend. »Ich glaube, in manchen Häusern ist ein Unentschieden einfach ein Unentschieden und niemand zahlt. Und in manchen Häusern gibt es Sonderregeln für den Bankier.«
    »Sonderregeln?« Sie wiederholte die Worte im Plauderton, doch ihre Aufmerksamkeit gewann eine Schärfe, die die Rasierklinge vor Neid hätte erblassen lassen.
    »In manchen Häusern dürfen die Spieler bei fünfzehn stehenbleiben, während der Bankier bis siebzehn ziehen muss. Und dann
muss
er stehenbleiben. Oft wird auch die erste Karte offen ausgeteilt.«
    Sie hatte das Messer von seinem Hals weggehalten, während er sprach, und ein plötzliches Aufblitzen verriet ihr, dass ihre Hand zitterte. Sie überspielte ihre Aufregung, indem sie das Messer in die Schüssel gleiten ließ und energisch im Wasser herumwirbelte. »Der Bankier bekommt seine erste Karte offen?«, fragte sie, nur um etwas zu sagen.
    »
Alle
Spieler bekommen ihre erste Karte offen. Das verschafft also vermutlich niemandem einen Vorteil.«
    Törichter Narr! Und ob das ein Vorteil wäre! Möglichkeiten taten sich auf … Offene Karten. In den späteren Runden würde das unendlich hilfreich sein, um zu wissen, was noch im Spiel war. Selbst in den frühen Runden wäre es interessant, die erste Karte des Bankiers zu kennen. Wenn er ein Ass hatte, wusste sie, dass seine Chancen gut standen, und konnte entsprechend setzen. Das, zusammen mit der unsäglich eleganten Regel, dass er weiterkaufen musste, bis er siebzehn hatte …
    Etwas über ihr erregte ihre Aufmerksamkeit. Ein Dutzend Lichtflecken tanzte zum Rhythmus der Rasierklinge im Wasser. Sie ließ ihre Hand still werden und sah zu, wie die Flecken langsamer

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