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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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wie ein Pirat einer neu entdeckten Schatzkarte.
    Du bist geschäftlich hier! Sie verlässt sich auf dich. Solchen Gedanken kannst du später noch nachgehen!
Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und schritt gemächlich den Raum ab. Irgendwann würde er wie zufällig an den Baccaratisch gelangen, nicht weit von dort, wo Lydia gewiss bereits saß und ihre mageren Ein-Pfund-Jetons beim Vingt-et-un setzte. Und er würde auf den Moment warten, an dem er dazustoßen und ihre Klugheit benutzen konnte, um seine fünfhundert Pfund in mehr zu verwandeln.
    Doch eine Stunde später lagen seine Nerven blank vom Warten. Er hatte vierzig Pfund verloren, weil er nicht den ganzen Abend nur zusehen konnte, wie andere spielten, während seine Taschen vor Jetons überquollen. Das hätte Misstrauen erregt. Also hatte er zwanzig Pfund beim Würfeln verschwendet, und eine Weile später noch mal zwanzig. Das konnte er sich nicht leisten. Und sie musste auch am Verlieren sein, sonst hätte sie ihm inzwischen ein Zeichen gegeben.
    Natürlich konnte man ihr nicht ansehen, wie es stand. Sie schien sich wesentlich mehr für den Möchtegern-Prasser zu ihrer Rechten zu interessieren als für das Spiel. Ständig lachte sie über irgendetwas, das er sagte, und ihr Körper wandte sich ihm zu wie eine Blume einer aufgeblasenen, einfältigen und selbstgefälligen Sonne. Zweimal hatte der Geck sie bereits daran erinnern müssen, dass sie an der Reihe war, so beschäftigt war sie damit, seine Spielzüge zu bewundern.
    Will trat zähneknirschend vom Spieltisch zurück und ließ einen Mann an sich vorbei. Hätte er zuversichtlich sein können, dass am Horizont der Profit wartete, hätten ihm ihre Possenspiele nichts ausgemacht. Er war ja nicht dumm. Doch sollte sich ein Spieler nicht irgendwann eingestehen, dass es wohl nicht sein Tag war, und gehen, bevor er noch mehr Geld verlor?
    Lydia lachte hilflos – er hörte sie nicht, doch die Geste war eindeutig –, als der Bankier ihren Einsatz einstrich. Sie klopfte dem Gecken einen unsichtbaren Fussel vom Mantel. Der Geck plusterte sich auf wie ein brünstiger Hahn.
    Genug! Verflucht noch mal! Will hob den Ellbogen und dehnte sich mit der anderen Hand den Arm. Als sie die Finger an die Lippen legte, um zu signalisieren, dass sie das Zeichen gesehen hatte, verließ er den Baccaratisch und schlenderte langsam aus dem Saal.
    Sie kam spät. Beinahe war er schon zu der Überzeugung gelangt, sie hätte das Zeichen doch nicht gesehen, da hörte er endlich Schritte im Korridor und steckte den Kopf um die Ecke. Das violette Unterkleid klebte an allen möglichen und unmöglichen Stellen ihres Körpers. Das Überkleid umfloss sie wie Butter, ein schamloses, aufreizendes Versprechen.
    »Ich sagte doch, wir müssen Geduld haben!«, sagte sie, noch bevor sie ganz bei ihm angekommen war. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. Offenbar brauchte sie gar nicht erst zu fragen, warum er sie hatte sprechen wollen.
    »Wir verschwenden unsere Zeit. Ich schlage vor, wir gehen. Vielleicht haben wir ein anderes Mal mehr Glück.« Er fasste sie am Ellbogen und zog sie weiter in die dunkle Ecke, wo vielleicht auch die Diener nicht hinkamen.
    »Du weißt doch, ich will nichts von Glück hören!« Eine Stunde Kartenspielen hatte die fröhliche Abenteuerlust vertrieben, mit der sie in ihrem Haus und auf der Fahrt mit ihm gesprochen hatte; jetzt war sie nur noch fest entschlossen.
    Er seufzte und ließ sie los. »Ich weiß nur, dass ich vierzig Pfund ärmer bin. Dass ich vierzig Pfund bei einem Spiel verschwendet habe, das ich überhaupt nicht spielen würde, wenn ich nicht irgendeine Beschäftigung bräuchte, während ich auf ein Zeichen warte, das vielleicht nie kommt. Wie viel hast du verloren?«
    »Das spielt keine Rolle. Will!« Ihre Hand betastete seinen Ärmel, unbeholfen und einnehmend zugleich, bis sie Halt fand. Dann weniger unbeholfen, aber noch immer einnehmend. Er spürte, wie konzentriert sie versuchte, ihm etwas von dem Vertrauen zu übertragen, das sie in solchem Überfluss besaß. »Uns war klar, dass das passieren konnte. Weißt du noch? Es kommt nicht völlig unerwartet.«
    Eine gebrochene Nase kam für einen Boxer auch nicht völlig unerwartet, aber das bedeutete nicht, dass es klug war, so lange im Ring zu bleiben, bis man blutüberströmt zu Boden ging. »Lydia, du brauchst vielleicht all deine Jetons auf, ohne dass ein gutes Spiel kommt. Was dann?« Sie hatte einhundert Pfund, wusste er. In Einer- und

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