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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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Karten ausgeteilt wurden. Sechs, Acht, Drei, Lydias war eine Vier, und er zog ein Ass. Der Bankier hatte eine Neun.
    Als der erste Spieler setzte, wandte sie sich um und schenkte ihm ein so betörendes Lächeln, dass es auf dem Scheiterhaufen hätte verbrannt werden sollen. »Lassen Sie mich raten.« Kurz taxierte sie seinen Aufzug und seine unzähligen Jetons. Eine Hand erhob sich vom Tisch und wanderte nachdenklich ans Kinn. »Sie kommen gerade frisch von der Navy, und das Prisengeld frisst Ihnen Löcher in die Taschen.«
    Navy
war das Schlüsselwort. Alles aus dem maritimen Bereich führte zu
Schiff
,
Schiff
führte zu
sank
, und
sank
zu
cinq
. Fünf Jetons.
    Er sollte schon auf seine erste Karte einhundert Pfund verwetten! Ein Sprung ins kalte Wasser.
    »Madame.« Dem Tonfall des Bankiers nach zu urteilen hatte er sie schon etwas zu oft ermahnen müssen, sich auf das Spiel zu konzentrieren. »Ihr Einsatz, bitte.«
    Mit der freien Hand fischte sie einen ihrer Ein-Pfund-Jetons hervor und schob ihn vor, die andere Hand lag noch immer an ihrem Kinn und strich gedankenverloren darüber. Beinahe konnte er hören, wie das Ziegenleder ihres Handschuhs über ihre Haut fuhr.
    Er konnte ihre Strategie sogar nachvollziehen. Mit einer Zehnerkarte wäre er bei einundzwanzig, und vermutlich waren noch genügend Zehnerkarten übrig, um einen Einsatz von fünf Wetteinheiten zu rechtfertigen. »Welch ein zaghaftes Gebot von einer so forschen Dame!« Er deutet ein Lächeln an und stapelte fünf Jetons vor seiner Karte auf. »Ich meine, wenn man etwas tut, soll man es auch beherzt tun.«
    Eine zweite Karte wurde ausgegeben. Will hob die Ecke an. Pik-Zehn. Gott, war das einfach!
    Er deckte die Zehn auf und lehnte sich zurück, einen Ellbogen auf der Stuhllehne, während sein Herz polternd davonraste wie ein Wagen auf einer abschüssigen Kopfsteinpflasterstraße. Zwar konnte es noch zu einem Unentschieden zwischen ihm und dem Bankier kommen, doch in jedem Fall würde er seine hundert Pfund behalten. Und er hatte sich bei den anderen Spielern beliebt gemacht. Einundzwanzig bedeutete, dass der Bankier in der Hoffnung auf ein Unentschieden weiterkaufen musste, und das machte es sehr wahrscheinlich, dass er sich überkaufen würde.
    Die ersten beiden Herren blieben nach der zweiten Karte stehen, Lydia und der Geck nach der dritten. Der Bankier zog eine Sechs und eine Dame und musste alle auszahlen.
    »Das nenne ich wirklich beherzt!« Wie absurd sie aussah, als sie ihre ganzen zwei Pfund mit einem dieser kleinen Schieberchen einstrich. »Aber vermutlich gehen Sie in vielen Lebenslagen beherzt vor.« Lydia verzog keine Miene, und ihr Tonfall verriet nichts über den leicht ordinären und ein wenig verzweifelten Annäherungsversuch hinaus. Und doch wusste er, dass in ihrem hohlen Geplapper Lob und Anerkennung versteckt waren. Es gefiel ihr, wie er seine Rolle spielte.
    Ihm gefiel es auch zusehends besser. Und weshalb auch nicht? Was hätte er schließlich nicht dafür gegeben, jemand anderes zu sein? Jemand, der selbstgefällig genug war, zu glauben, die Welt werde sich schon nach seinen Wünschen richten. Vielleicht wäre so jemand aus ihm geworden, wenn ein, zwei oder auch zwanzig Dinge anderes verlaufen wären. Heute Abend, und an all den anderen Abenden, solange sie dieses Spiel spielten, konnte er dieses Leben anprobieren wie eine samtgefütterte Abendjacke, die nicht ganz passte und die er sich ohnehin nicht leisten konnte.
    Also kostete er seine Rolle aus, nahm, wenn er nicht an der Reihe war, eine grüblerische Denkerpose mit vorgeschobener Unterlippe ein und wedelte sowohl beim Setzen als auch beim Einstreichen seiner Jetons theatralisch mit dem Handgelenk.
    Und immer, wenn ausgeteilt wurde, siebte er Lydias unaufhörliches Geplapper wie ein Goldwäscher auf der Suche nach Nuggets.
    Sie wandte sich an den Bankier: »Wenn ich noch fünf Pfund verliere, steige ich aus. Erinnern Sie mich daran! Dann kommt der Rest doch lieber wieder unter die Matratze!«
Matratze
klang wie
Katze
, und
Katze
führte zu
quatre
. Vier Jetons.
    Zum Gecken: »Sie wollen mich wohl in den Ruin stürzen! Dabei wissen Sie ganz
genau
, wie gut ich armes Mädchen ein paar Pfund gebrauchen könnte!«
Genau
– prä
zise

six
. Hundertzwanzig Pfund.
    Und zu ihm: »Sie haben ja heute Glück für zwei!« (Glück! Ein heimlicher Seitenhieb. Zahlen überwucherten ihr Gehirn wie Unkraut einen Garten, und trotzdem war sie noch in der Lage, einen Scherz einzubauen,

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