Das Versprechen der Kurtisane
habe beim Spiel den Kopf verloren. Ich gebe es zu.« Gott, was war er nur für ein Narr. »Ich wollte ihn reizen, ich wollte … ich wollte dich von deiner Pflicht befreien, nur für eine Nacht. Jetzt, wo ich weiß, was du alles durchgemacht hast, konnte ich nicht anders, als …«
»Ich bin kein Kätzchen in Not, das nur darauf wartet, von dir aus einer Grube gerettet zu werden!« Ihr Ärger traf ihn zielgenau wie Pfeile, ohne Energie zu vergeuden. »Ich habe mich schließlich freiwillig Mr Roanoke verpflichtet. Ich verkehre
gern
mit ihm. Und ich stehe nicht gerade kurz davor, unter der Last der Dinge, von denen ich vorhin sprach, zusammenzubrechen. Ich habe gelernt, sie aus meinen Gedanken herauszuhalten.«
Ihre Worte klangen in ihm nach, so als bestünde er aus Harfensaiten. Damit kannte er sich zufällig aus: Er konnte sich schon vorstellen, mit welchem Erfolg sie gewisse Dinge aus ihren Gedanken heraushielt.
Er könnte es ihr sagen.
Ich verstehe dich. Ich habe auch Erinnerungen, an die ich gar nicht denken will
. Doch er hatte sie nicht als Beichtvater hergeholt. Sie hatte genug Sorgen.
Er stieß sich vom Sessel ab und ging zu einem Wandspiegel in einer Ecke. »Wie dem auch sei, du hast jedenfalls heute Nacht frei. Du brauchst dich in keiner Weise um mich zu kümmern.« Er knöpfte sich den Frack auf. »Du brauchst nicht einmal mit mir zu reden, wenn du nicht willst.«
»Wie gütig, mir die Wahl zu lassen.« Beißend. Wenn er sie berührte, würde sie vermutlich ein Loch in seine Haut ätzen. »Sollte ich mich aus Dankbarkeit anbieten?«
Er seufzte und streifte den Rock ab. Er hätte nicht um sie spielen sollen. Sie hatte gewisse Ansichten über Männer, die sie wie eine Ware behandelten, und sie konnte für ihn keine Ausnahme machen. »Ich glaube, es führt zu nichts, wenn wir weiter darüber reden. Das Bett gehört dir.« Er warf sich den Rock über eine Schulter und drehte sich um. »Ich schlafe auf dem Boden. Ich gehe jetzt ins Ankleidezimmer, es sei denn, du möchtest erst deine Kleidung ablegen.«
Wollte sie nicht. Als er zehn Minuten später in Nachthemd und Mantel wiederkam, stand sie an derselben Stelle, an der er sie verlassen hatte, noch immer dem Fenster zugewandt. Vielleicht hatte sie vor, ihm zu trotzen, indem sie die ganze Nacht dort stand – doch nein, sobald er weit genug von der Tür entfernt war, hob sie ihre Kleidung auf und zog sich zurück. Und als er näher ans Bett trat, sah er, dass sie ein Kissen und die wärmste Decke auf den Teppich danebengelegt hatte.
Ein Versöhnungsangebot vielleicht. Oder auch eine stolze teilweise Ablehnung seines Angebots. Mit ihr würden die Dinge nie, nie, nie einfach sein.
Er ließ eine Kerze brennen, sodass sie den Weg zurück finden würde, rollte sich auf die Seite und starrte entschlossen weg, als der Fußboden unter ihren Schritten knarrte. Er hörte, wie sie die Kerze ausblies, und das Licht erlosch. Die Matratze seufzte. Die Laken und Decken säuselten.
Und da war sie. Die Frau, die er mehr als jede andere wollte, lag in seinem Bett, und er Millionen von Meilen entfernt auf dem Boden. Zum Teufel mit dieser verqueren Welt.
Er rollte sich auf die andere Seite und zog sich die Decke über die Ohren. Jetzt konnte er nur noch auf den Morgen warten.
Aus Soldatenzeiten wusste er, wie sich ein Albtraum anhörte. Ihr erster kam, kurz nachdem er eingeschlafen war.
Will setzte sich auf, kam dann auf die Knie. Das Bett war verflucht hoch. Sie hatte die Vorhänge nicht zugezogen, und die schrecklichen Schreie hinter geschlossenen Lippen verrieten ihm genau, wo sie lag. Seine Hand lag auf ihrer Schulter, noch bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, ob es womöglich eine anständigere Art gab, das bei einer Dame zu tun. »Lydia.« Er schüttelte sie sanft. »Lydia.« Er tastete nach der anderen Schulter und schüttelte sie mit beiden Händen.
Sie erwachte mit einem entsetzlichen Keuchen, setzte sich kerzengerade auf und stieß fast mit seinem Kopf zusammen. Ihre Hände fegten über seine, als glaubte sie, von riesigen Spinnen überrannt zu werden.
»Lydia.« Er griff fester zu. »Alles in Ordnung. Es war nur ein Traum.«
»Ich weiß nicht, wo ich bin.« Die Panik in ihrer Stimme bohrte sich in sein Gewissen wie ein Bajonett.
»Du bist in Chiswell. Mr Roanokes Haus, aber in Mr Blackshears Zimmer.« Er brauchte eine Sekunde, um die nächsten Worte zu finden, und ihr hastiger Atem füllte die Pause. »Es gab eine Wette. Erinnerst du
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