Das Versprechen der Kurtisane
dich?«
Sie atmete. »Ich …« Er spürte die Anstrengung, mit der sie sich wieder in die Gewalt brachte. »Ja. Ich erinnere mich.« Irgendwie hatten sich ihre Hände um seine Handgelenke gelegt, so fest, als sei er das Einzige, was zwischen ihr und dem Ertrinken stand. Jetzt lockerte sie ihren Griff und nahm die Hände weg. »Ich habe dich geweckt. Es tut mir leid.«
»Nein, mir tut es leid.« Er legte die Fingerknöchel einer Hand an ihre Stirn. Feucht. »Es ist verwirrend, an einem fremden Ort aufzuwachen. Ich hätte dich nicht herbringen sollen.«
»Ja. Tja.« Sie rückte von ihm weg und legte sich wieder hin. »Dann bezahlst du ja jetzt dafür.« Will dankte Gott für ihre unverfrorene Art, das war genau der Balsam, den sein bajonettiertes Gewissen brauchte.
»Vermutlich.« Er sank wieder auf den Boden und wartete, bis ihr Atem ruhiger wurde.
Doch kaum war er wieder eingenickt, so schien es jedenfalls, da ertönten die verzweifelten Geräusche aufs Neue. Herr im Himmel! Er hatte gedacht, er hätte Nächten wie dieser ein für alle Mal Lebewohl gesagt, als er sein Patent verkauft hatte. Wieder raffte er sich auf, kam auf die Knie und legte den Arm über sie, damit sie nicht hochschrak.
»Hier ist Will Blackshear«, sagte er, sobald sie erwachte. »Du bist in meinem Zimmer. Ich habe dir mein Bett überlassen. Du bist in Sicherheit. Ich habe dich geweckt, weil du einen Albtraum hattest.«
Ihre Brust hob und senkte sich unter seinem Arm, doch sie versuchte diesmal nicht, sich von ihm zu befreien. »Es tut mir leid«, sagte sie wieder, als sie zu sich gekommen war.
»Das braucht es nicht.« Er spürte, wie sie ruhiger wurde. »Passiert dir das öfter?«
»Manchmal.« Es war ihr peinlich, sie flüsterte fast. »Ich schlafe oft bei Tageslicht.«
»Verstehe.« Er ließ seine Hand wieder an ihre Stirn wandern und strich ein paar feuchte Haarsträhnen zurück. »Soll ich die Kerzen anmachen? Ich kann mit dir aufbleiben. Vielleicht finden wir irgendwo ein Kartenspiel.«
»Nein danke. Es geht schon. Danke.«
Bei einem einzelnen
Danke
hätte er vielleicht versucht, sie umzustimmen; zwei waren eine klare Ablehnung. Also zog er sich zurück und rollte sich in seine Decke.
Ein Packesel auf einem dreitägigen Marsch konnte nicht so erschöpft sein wie er. Trotzdem schlief er nicht ein. Und als der dritte Albtraum begann, kletterte er ins Bett und legte einen Arm um sie. »Ich bin’s, Will«, sagte er in ihr Ohr. »Du bist in meinem Zimmer. Hier kann dir nichts passieren. Schlaf weiter.«
Sie wachte auf, doch nur ganz kurz. Das Zucken und die erstickten Schreie hörten auf. Ihre Atemzüge waren zuerst flach und wurden dann tiefer, während ihr Körper sich in seinem Arm entspannte. An seiner Brust. Der Himmel wusste, wo sie zu sein glaubte, oder bei wem. Egal. Er wollte nichts auf der Welt so sehr wie das. Jemanden trösten. Die Macht haben, Angst zu nehmen. Wissen, dass er sie vor allen Schrecken beschützen konnte, die sie im Schlaf heimsuchen mochten.
Was waren die Menschen doch für sonderbare Wesen. Er hatte geglaubt, nur Männer gingen so mit dem um, was sie quälte. Stopften es in eine abgelegene Ecke des Bewusstseins, aus der es nachts hervorbrach und um sich griff. Er würde am Morgen weiter darüber nachdenken. Vielleicht würden sie darüber sprechen. Er war so müde.
Er legte sich nicht wieder auf den Boden. Er schlief, wenn sie schlief, und wachte auf, wenn sie es brauchte. Wieder und wieder erinnerte er sie an dieselben Dinge. Chiswell. Will Blackshear. Ein Albtraum. Alles in Ordnung. Als die Sonne aufging, hatte ein Teil ihres Bewusstseins so viel davon behalten, dass er bloß noch den Arm fester um sie zu legen brauchte, wenn die ersten Anzeichen kamen, und
alles in Ordnung
murmeln musste. Dann seufzte sie, entspannte sich, und wurde friedlich. Und er ebenfalls.
Sie erwachte in einem fremden Bett. Das war das Erste, was merkwürdig war. Das Bettzeug fühlte sich fremd an, und das Sonnenlicht hatte den falschen Winkel. Wenn sie ihre Augen öffnete, würde sie eine fremde Tapete sehen. Sie lag still und hielt die Augen geschlossen.
Das Zweite, was merkwürdig war, war das Gewicht eines Arms auf ihr. Sie lag auf der Seite. Der Arm bedeutete, dass jemand hinter ihr lag, und obwohl sie schon unendlich oft Männer in ihrem Bett gehabt hatte, war sie noch nie mit einem aufgewacht. Wobei das ja, wie bereits festgehalten, auch gar nicht ihr Bett war. Deswegen war wohl auch alles
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