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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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wirkungslosen Ventilatoren ein wenig bewegt wird, herabschwebender Samenregen, und er wusste, dass er diese Samen nicht aufgehen lassen dürfe, und hielt deswegen eine Sonntagspredigt zumThema „Du sollst nicht töten!“, versuchte uns einzuprägen, dass es, sobald wir so zu denken begännen, unser Ende wäre, wir uns nicht befreien, sondern eine Hölle entfesseln würden, Vater Klenovský gilt unser aller Sympathie, auch wenn die meisten von uns Atheisten sind oder wie ich, die ich mich, um es bildlich auszudrücken, mit der einen Hand bekreuzige und mit der anderen dem Teufel die Flöhe aus dem Pelz klaube, trotzdem gehen wir fast alle zur Sonntagsmesse, wir haben uns hier Modráčeks Projekt entsprechend auch eine richtige Kirche gebaut, nicht nur so eine lausige Kapelle, die Kirche bildet einen unabhängigen Vorderflügel dessen, was Modráček als „horizontale unterirdische Stadt“ bezeichnet, innen ist sie sehr bunt, obschon fensterlos, dafür aber gibt es hier große beleuchtete Glasfenster, die nur teilweise die hufeisenförmige Apsis von den übrigen Räumlichkeiten abtrennen, aber vor allem herrscht hier viel künstliches Licht, alles, was notwendig war, hat Modráček bei den besten Spezialisten herstellen lassen und sukzessive hergeschafft, ja, wenn mit Schmuck und Gold bezahlt wird, können sich alle ein Bein ausreißen, besonders in dieser Zeit, da Geld keinen Wert hat und die Währung jederzeit wieder verfallen kann, Vater Klenovský gilt unser aller Sympathie, oder fast aller, und daher bemühten wir uns, ihm in den nachfolgenden Tagen zu erkennen zu geben, dass er sich irrt und dass niemand von uns an dergleichen auch nur gedacht hat und dass es unnötig ist, dass er zu Leutnant Láska zieht und ihn persönlich schützt vor unseren abscheulichsten Absichten, es ist unglaublich, aber Dan kam mit derselben Idee wie ich, obwohl ich meineInitiative ihm gegenüber überhaupt nicht erwähnt hatte, doch erging’s ihm beim Koch genauso wie mir, und daher hat er Modráček persönlich aufgesucht, und das weiß ich zu schätzen, er hat beim Auftreten ja immer noch Schmerzen in dem Bein, in das Modráček ihn geschossen hat, und wird vielleicht sein ganzes Leben lang humpeln, das Gespräch zwischen ihnen kann ich mir nicht vorstellen, aber es ist mir klar, dass Dan ihn um nichts gebeten und sich in keinerlei Weise erniedrigt und ihm bestimmt auch nichts versprochen hat, und da stellte sich heraus, dass sogar Modráček fair sein kann, er kam uns entgegen und redete selber mit dem Koch und bot ihm offenbar etwas als Kompensation an, und zu unserer Überraschung packte der Koch still seine Sachen und übersiedelte ans andere Ende des Hauses, dorthin, wo bisher Dan gewohnt hatte, changerte sich das wortlos mit uns aus, aber an dieser Stelle sollte ich sagen, dass die scheinbar einfachste Lösung, nämlich gemeinsam ein Appartement zu bewohnen, überhaupt nicht infrage kam, vor allem, wenn einer Dans Charakter kannte, wie sehr er es nämlich von Zeit zu Zeit, und zwar recht oft, brauchte, allein zu sein, ich konnte mich schwer damit abfinden, aber er trug eine Art unerfüllbare Sehnsucht nach etwas (oder eher nach jemandem!) in sich, das (oder den) er dort oben zurückgelassen hatte und worüber er mit niemandem reden wollte und was mich nichts anging, es ist Nacht (Modráček hat uns vor Kurzem den Tageslichtbetrieb abgedreht), ich sitze mit Dan auf der Treppe, sozusagen vor dem Haus, obwohl über uns natürlich kein einziger Stern, nur die schwarze Höhlendecke, ist, und so drehen wir uns um zuder beleuchteten Mondrianwand im hinteren Querflügel, es wechseln sich dort bunte, erfindungsreich komponierte Glasrechtecke unterschiedlicher Größe ab, ich kann nicht bestreiten, manchmal gelingt Modráček etwas, diese von ihm entworfene Katakombenarchitektur würde dort oben Abscheu und Anstoß erregen, aber ein Stück weiter, jenseits unserer mit Stacheldraht verrammelten Welt, würde sie bestimmt das Interesse und die Bewunderung nicht nur von Fachleuten wecken, vielleicht wohnen und leben wir hier in etwas, das noch Zukunftsmusik ist und unter Umständen eine bewundernswerte architektonische Symphonie darstellt, in solchen Nachtstunden, wie jetzt mit Dan an der Schwelle der „horizontalen unterirdischen Stadt“, gelingt es mir wirklich zu vergessen, dass es oben noch eine weitere und eigentlich unsere wirkliche, wahre Welt gibt – hörst du mir zu, Dan?, ich habe schon mehrmals bemerkt, dass hier so ein

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