Das Versprechen des Architekten
den Tisch. Na sowas, du hast ein Tischtuch mit Walen drauf. Du bist wohl so ein Greenpeace-Typ, was?
Warte, ich hör’ dich nicht. Ich bin gleich zurück. Er presst mit seinem auffällig dicken Daumen und seinem auffällig dünnen Mittelfinger (Sancho Panza und Don Quichote?) das Schnäuzchen von seinem Lämmchen und drückt noch zwei Tropfen raus und wischt das Lämmchen sorgfältig mit Toilettenpapier ab. Und anschließend dreht er noch den Wasserhahn der Badewanne zu.
Sie frühstücken laut schmatzend. Und da erstarrt Luděk, fährt sich mit Daumen und Mittelfinger (ja, ihr habt es erraten, mit dem gleichen Quichote und Sancho Panza!) in den Mund und fischt was heraus.
Was ist?
Nichts. Und er zeigt es Petra.
Entschuldige, Eier ohne Schale legen kann ich vorerst noch nicht. (Pause) Ich würd’ heut’ vielleicht gern irgendwohin gehen … wo Bäume sind. Aber ihr habt hier ja keinen ordentlichen Park.
Spinnst du, du Bestie? Und was ist mit dem Spielberg? Und wir haben hier sogar den ersten öffentlichen Park der Länder der Böhmischen Krone. Lange vor der Prager Stromovka. Ursprünglich ein Jesuitenklostergarten. Später haben dort die besten kaiserlichen Gärtner einen herrlichen Wald seltener Bäume gepflanzt. Gleich hier um die Ecke. Na, wir gehen am Nachmittag hin. Du wirst Augen machen.
Den Kaffee in die Alabastertassen? Und hast du das gestern von dieser Klára Mauerová gelesen? Wie sie im Keller die eigenen Kinder gefoltert hat. Oder dieser Fritzl aus Österreich. Wie er hundertfünf Jahre lang die eigene Tochter im Keller missbraucht hat. Und in dem Haus haben sie überhaupt nichts davon mitgekriegt. Blind und taub. Man ist nur durch Zufall draufgekommen. Schau ins Netz. Da gibt’s Videos davon. Wie können Menschen nichts sehen und hören?
Du hast es selber gesagt. Blind und taub.
Jetzt wimmelt’s bloß so von diesen Kellerperversen. Dagegen ist der Architekt Modráček nur ein gutmütiger alter Kerl gewesen.
Das möcht’ ich mir erbeten haben. Er war nicht pervers. Die Zeit und die Umstände haben ihn zu dem Ganzen getrieben. Ein gutmütiger alter Kerl.
Behaupt’ ich was anderes? Wo sind wir stehen geblieben? Mitte 1953 hat er schon einundzwanzig Mieter gehabt.
Versuchen wir, sie aufzuzählen. Also los. Leutnant Láska alias Rudolf Švarcšnupf.
Ach, da wär’ ich gern die Komtesse Medusa alias Diana Manuela Peralta Medinaceliová!
Fahren wir fort. Doktor Vlastimil Pešek, Advokat. Doktor Jiří Štefl, Arzt und Krimiautor. Der Privatdetektiv Daniel Kočí. Der Schriftsteller Libor Hrach, Verfasser der „Geschichten eines klugen Dachses“. Josef Čepelák, Verkäufer aus einem Laden mit Brett-und anderen Spielen. Modráčeks Frau.
Also hat er dort auch seine „unsichtbare Frau“ gefangen gehalten?
Wie viele haben wir schon?
Sieben.
Irena. Den Familiennamen weiß ich nicht. Und Julius Dlask, Schauspieler.
An den kann ich mich zufällig erinnern.
Was?
Das heißt, nicht ich, meine Großmutter natürlich. Sie hat mir einmal davon erzählt, wie aus dem Mahen-Theater plötzlich ausgerechnet ihr Lieblingsschauspieler, in den sie verschossen war, verschwunden ist. Er sollte in so einem Stück spielen … es liegt mir auf der Zunge … „Das Glockenspiel des Kreml“!
Na ja, „Das Glockenspiel des Kreml“. Das war ein Stück über Lenin. Der zweite Teil der Lenin-Trilogie von Pogodin, Nikolai Fjodorowitsch. „Der Mann mit derFlinte“. „Das Glockenspiel des Kreml“. „Der Schlussakkord“.
Du hast nur Blödsinn im Kopf …
Ich bin Russist. Als ich studiert habe, wurde Pogodin noch gelesen, so wie heute zum Beispiel Harold Pinter. Aber zurück zu deiner Großmutter. Sie war also verknallt in Dlask.
Sie ist total auf Dlask gestanden. Sie ging zu dem „Glockenspiel“ und brannte schon auf dem Weg wie ein Strohwisch.
Nur dass er dort nicht mehr mitgespielt hat.
So ist es. Jemand sprang für ihn ein. Er ist verschwunden, und niemand hat mehr was von ihm gehört. Vollkommen in Luft aufgelöst hat er sich. Großmutter war sich sicher, dass er emigriert war und schnurstracks nach Los Angeles, nach Hollywood, gegangen ist und dass er erst in irgendeinem amerikanischen Film zu uns zurückkommen würde. Wie Jiří Voskovec in den „Zwölf Geschworenen“. So ein Talent, behauptete sie, kann sich nicht einfach so in Luft auflösen.
Und sie hat sich nicht getäuscht, bestätigte Luděk. Er hat zwar nicht in Hollywood reüssiert, dafür aber in dem Stück von Libor Hrach, das
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