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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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seltsames fliegendes Nachtinsekt existiert, sicher, ich bin keine Entomologin, um das beurteilen zu können, ich habe nur das Gefühl, dass mir etwas in der Art dort draußen noch nie begegnet ist – ein Nachtinsekt?, lacht Dan, und was können wir hier wissen von Nachtinsekten?, und wann ist es hier eigentlich Nacht?, da doch Modráček bestimmt, es werde Nacht!, und wenn es gar kein Insekt ist? –, der Schriftsteller Hrach und Doktor Štefl und der Schauspieler Dlask haben, vom Herrn Architekten dazu angetrieben, ein Theaterstück geschrieben, und zuerst wollten sie die unter uns aussuchen, die schon irgendwann irgendwo Laientheater gespielt hatten, aber weil sie so jemanden hier nicht fanden, beschlossen sie, es schlau anzupacken, und zerrissenwieder, was sie geschrieben hatten, und schmissen es weg und fingen von vorne an, und diesmal so, dass sie niemanden mehr aussuchen würden, und schrieben drei kurze Stücke für sechzehn Nicht-Schauspieler, da sie sich selber und Leutnant Láska und die Wöchnerin Modráčková nicht mitgerechnet haben (aber am Ende spielten sie ja doch auch selber mit), und Hrach und Štefl erklärten uns dann, dass das etwas komplett anderes sein würde als Jiráseks „Laterne“ oder Klicperas „Hadrian“, bei ihnen würde jeder sich selber spielen, die Figuren seien quasi liebenswerte Karikaturen von uns, so wie sie uns in Alltagssituationen beobachtet hätten, und es liege einzig an uns, wie jeder von uns sich dazu stellen, wie wir es annehmen würden zu spielen, abgelehnt hat nur Vlasta, eine Sängerin aus dem Ondráš-Armee-Künstlerensemble, die störte eben die Unprofessionalität der ganzen Aktion, und ferner Herr Neužil, Korrektor aus der Druckerei der Zeitung „Rovnost“, „Gleichheit“, der die ganze Zeit nicht verstand, warum er sich selber spielen solle – ich bin halt nun mal und kann mich daher doch nicht auch noch spielen, seid mir nicht böse, das ist ein Quatsch –, wir Übrigen aber waren mit Feuereifer dabei, und schon beim Einstudieren und Proben waren das womöglich die besten Tage, die wir hier bisher erlebt hatten, na, ich übertreib’ mal wieder, aber wie mir Zdena, Buchhalterin aus der Starobrno-Brauerei, sagte – du, das ist seltsam, ich hab’ mich zum ersten Mal, erst als ich mich selber spielte, als ich selber gefühlt –, fast alle haben wir uns anfangs geniert, sind dann aber der Sache verfallen, am besten gefallen hat mir allerdings der Koch, er spielte leidenschaftlich, stampfteund schrie herum auf der Bühne, dass er uns alle zu Leberwurst faschiert, besonders diese Nutte von nebenan, damit meinte er mich, obwohl wir jetzt nicht mehr Nachbarn sind, die Zahl jener, die zu Modráček kommen, er solle weitermachen mit seiner Jagd, wird jetzt immer größer, und dabei handelt es sich um Wünsche gleich zweierlei Art, und sie unterscheiden sich voneinander wie die Einwohner Grönlands von den Eingeborenen der Salomon-Inseln, die einen wünschen sich, er solle ihnen Nahestehende, an denen ihnen was liegt, Liebhaber, Geliebte, Söhne, Töchter, Eltern, Onkel, Tantchen und Canastapartner, einfangen und zu uns verschleppen, und die anderen wiederum wünschen sich, er solle die hierher verschleppen, die es nicht verdienen würden, in Freiheit zu leben, und er möge sie bestrafen, indem er sie in unser charmantes Alcatraz wirft, schwer zu sagen, welche dieser beiden Motivationen größere Verachtung oder größere Bewunderung verdient, aber der Herr Architekt kommt weder den einen noch den anderen entgegen, seine „Jagdsaison“ ist schon beendet, er hat die Quote sozusagen schon erfüllt, Modráček hat nämlich nicht aus Lust an der Jagd gejagt, auch nicht der Freude an seinem Fang wegen, Modráček ist ein trauriger Jäger gewesen, hätte er nicht versprochen, was er versprochen hat, wäre nie gefolgt, was gefolgt ist, er hätte nicht einmal begonnen zu jagen, das hatte ich schon verstanden, heute morgen kam er angeschossen, rieb sich die Hände – also hört zu, die Marillensaison hat begonnen, auf dem Krautmarkt gibt’s schon riesige Körbe voller Marillen, was, wenn ich hinfahren würde, das Auto mit Marillen beladen und alles hier runterschleppen, ihr könntet einkochen, bis ihr schwarz werdet –, aber dieser Gedanke begeisterte uns keineswegs – das wird so sein, kommentierte Váša, ein Bademeister aus der Zábrdovicer Badeanstalt, dass der Herr Architekt als Bub bei der Oma einmal eine große Marilleneinkochaktion erlebt hat und dieses

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