Das Versprechen des Architekten

einem umgedrehten Kübel neben der Mischmaschine, die ihm den Mörtel für die Umfassungsmauer für den goldenen Käfig erzeugt, in der er Leutnant Láska, Doktor Pešek, den Schriftsteller Hrach und Privatdetektiv Dan Kočí schon wie die Hühner auf der Stange sitzen hat. Ursprünglich ist es auch nur um diese eine Mauer gegangen. Bloß so ein den goldenen Käfig umgebendes Häuschen, damit nicht diese ganze grandiose Höhle beheizt werden muss. Aber jetzt hat er auf diesem Kübel eine Idee ausgeheckt, die von eben jenem Le-Corbusier-Haus inspiriert war. Selbstverständlich kein als „vertikale Gartenstadt“ konzipiertes Haus, sondern sein Gegenstück, ein als „horizontale unterirdische Stadt“ konzipiertes Haus. Aber etwas auf andere Weise genauso Titanisches. Er war besessen von der Idee, diese ganze „Kathedrale der Stille“ auszufüllen, wie er jenen Untergrund auch nannte, weil die Akustik dort so miserabel war, als hätte jemand diesen ganzen weitläufigen Raum mit etwas wie durchsichtiger Watte vollgestopft, einer unsichtbaren und nicht greifbaren Watte, und lediglich die Wände dort waren ein guter Schallleiter, während sich Wörter, egal wo in diesen Räumen ausgesprochen, auflösten wie Schneeflocken in einem heißen Luftzug …Moment, was habe ich da …? Ja, Modráček beschloss, den ganzen Höhlenraum mit einem avantgardistischen Wohnkomplex aus autonomen Wohneinheiten auszufüllen, dem Prototyp eines großen unterirdischen Hauses à la „horizontale unterirdische Stadt“.
    Er hat also nach Mietern für seine „horizontale unterirdische Stadt“ gejagt? Sich nicht mehr nur mit dem begnügt, was ihm dort von alleine hineinstolperte oder was ihm seine Paranoia zuführte?
    Es ist einfach gut gelaufen. Das ursprüngliche Vorhaben und dazu dann der Zufall und weitere Umstände, eins kam zum anderen, und siehe da, was bloß eine Abrechnung mit dem Mörder von Modráčeks Schwester hätte sein sollen, wuchs sich am Ende aus zu einem großen architektonischen und eigentlich auch humanitären Projekt. Das ist ja nicht mehr nur jenes experimentelle unterirdische Haus mit autonomen Wohneinheiten gewesen.
    Aber um Gottes willen, was denn noch?
    Ich schäme mich, es auszusprechen – eine utopische Insel. Eine unterirdische utopische Insel! Modráček verstand es am Ende als Mission. Er erfüllte das Versprechen, das er seiner toten Schwester gegeben hatte, löste den Schwur ein, ihren Mörder zu erwischen und ihn mit Lebenslänglich zu bestrafen, erweiterte dies gleichzeitig aber, durch ein Zusammentreffen von Umständen und damit zusammenhängenden Motivationen, nach und nach um seine persönliche Mission: ein Muster der Menschheit, so gut es ging, vor dem, was dort oben war, zu retten. Und daher suchte er für seine einundzwanzig Mieter Individuen verschiedener Gesellschaftsschichtenund Berufe aus und fing sie ein. Sie hatten demnach im Untergrund unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen, und gleichzeitig sollte es das Modell einer künftigen, besseren Gesellschaft sein.
    Eine Arche Noah?
    Du sagst es. Würde oben einmal alles vorbei sein, die Sintflut enden, wäre die Zeit da, wieder dorthin zurückzukehren mit dem, was ihm zu retten gelungen war. Verstehst du, oben wütete eine große marxistische Utopie und dort unten, unter dem Gehsteig und eigentlich in nächster Nähe eines Polizeipostens, wütete wiederum eine kleine, private Utopie.
    Aber das bedeutet, dass Modráček auch verrückt geworden war. Allerdings verstehe ich sowieso nicht, wie er diesen einundzwanzig Mietern gewachsen war, und dass sie sich nicht gegen ihn aufgelehnt haben.
    Selbstverständlich ging das nur mit Gewalt. Jede Utopie ist zugleich ein KZ. Wer immer von den Mietern es geschafft hätte, hinauszukommen, hätte dadurch die Gefangenschaft Leutnant Láskas gefährdet. Um sein Versprechen, seinen feierlichen Schwur zu erfüllen, war Modráček zu allem fähig, und das tat er seinen Mietern in unmissverständlicher Weise kund. Erinnern wir uns daran, dass unter allem, was er in diesem unterirdischen deutschen Sammelplatz entdeckt hatte, auch zwei Pistolen waren, eine Walther, Kaliber 7,65 mm, und eine Smith & Wesson, 9 mm. Er trachtete, keinen Zweifel bei ihnen aufkommen zu lassen, dass er nicht zögern würde, sie zu gebrauchen. Aber mit der Zeit arrangierte sich alles, wie das schon so ist in solch geschlossenen Gemeinschaften.Und sie begannen sogar eifrig zusammenzuarbeiten. Auch wenn Modráček seinen Kollaborateuren nie