Das Versprechen des Opals
vielleicht nachher besser gehen. Sie war müde – so müde, dass ihr alles zur Anstrengung wurde.
Kate lief die Treppe hinunter; ihr Gesicht war gerötet, so eilig hatte sie es, von den Kabinen der ersten Klasse in die dritte hinunterzukommen. Der Wind hatte ihr Haar zerzaust, und ihre Wangen brannten, als sie die letzten beiden Stufen heruntersprang und auf Maureens Abteil zusteuerte. Sie hatte nur eine Stunde Zeit, bis sie sich wieder um die Kinder kümmern müsste, und wollte wissen, ob es ihrer Freundin besser ging.
»Hey, Kate. Komm, tanz mit uns, Mädchen!«
Sie lächelte, als sie die vertraute Stimme hörte, und rief: »Ich hab was Besseres zu tun, als mit dir zu tanzen, Seamus Dooley.«
»Oh, Darling«, tönte es mit trauervollem Pathos aus den Tiefen der Heckquartiere, »du brichst mir das Herz.« SeineKumpane beantworteten dieses Bekenntnis mit Pfeifen und Johlen.
Kate lief vergnügt weiter. Seamus Dooley war ein frecher Kerl, aber obgleich er gut aussah und ein Schmeichler war, hatte sie nicht die Absicht, sich mit ihm einzulassen. Dazu wanderten seine Blicke zu viel umher; seine Art, mit Frauen umzugehen, würde ihn sicher noch eines Tages in Schwierigkeiten bringen, und damit wollte sie nichts zu tun haben. Was hatte es für einen Sinn, ans andere Ende der Welt zu reisen, wenn sie sich dann mit dem erstbesten hübschen Kerl begnügte, der ihr über den Weg lief?
Im Quartier der Verheirateten war es stiller; die meisten Passagiere hatten gemerkt, dass es tagsüber an Deck angenehmer war. Kate lief langsamer, und fast unhörbar blieb sie vor Maureens Vorhang stehen und spähte hinein.
Maureens Lider flatterten, und sie lächelte. »Was machst du denn hier, Kate?«, murmelte sie. »Ich dachte, du musst auf die Kleinen aufpassen.«
»Jetzt ist Lunchzeit.« Kate hockte sich auf die Kante der Koje. Sie war froh, dass sie daran gedacht hatte, nicht »Dinner« zu sagen, denn für die feinen Leute war Dinner das Abendessen. »Mr Reed hat die Mädchen gern bei sich im Speiseraum.«
Maureen verzog das Gesicht, als sie sich aufrichtete und auf den Ellenbogen stützte. Sie versuchte, es durch ein Gähnen zu tarnen. »Ich muss eingeschlafen sein«, murmelte sie.
Kate ließ sich nicht täuschen. Maureen war blass und hatte immer noch Schatten unter den Augen, obwohl sie den Vormittag hindurch geschlafen hatte. »Sind die Schmerzen sehr schlimm?«, fragte sie sanft.
»Ach, es ist nichts.« Maureen zuckte wegwerfend die Achseln. »Ich bin bloß froh, wenn ich wieder auf einem Boden stehe, der mich nicht dauernd aus dem Gleichgewicht bringt.«
»Meinst du nicht, du solltest es Henry sagen?«
»Nein.« Maureens Ton war scharf. »Er hat schon genug Sorgen. Lass es gut sein, Kate.«
Kate wünschte, sie könne ihre Freundin überreden, zu einem Arzt zu gehen. Diese fortwährende Übelkeit war nicht in Ordnung, und die stechenden Schmerzen in ihrer Seite waren es auch nicht. Und es wäre ein Vertrauensbruch, Henry einzuweihen.
»Es tut mir Leid, Kate«, sagte Maureen. »Ich wollte dich nicht anfahren.« Sie lächelte matt. »Du bist uns beiden eine gute Freundin, und ich glaube, du ahnst nicht, wie sehr ich das zu schätzen weiß.«
Kate tätschelte ihr die Hand und lächelte. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, erklärte sie unbekümmert. »Sieh lieber zu, dass du wieder zu Kräften kommst.«
Maureen ließ sich zurücksinken und schloss die Augen, und Kate blieb sitzen und hielt ihre Hand, bis sie sicher war, dass die Freundin wieder eingeschlafen war.
Sie hatten sich kurz nach der Abfahrt der Swallow kennen gelernt; Kate war mit ihrem Koffer in die dritte Klasse hinunter geeilt, nachdem sie Mr Reed geholfen hatte, die Kinder ins Bett zu bringen, und war gegen Henry und Maureen gestolpert, als das Schiff sich in der Dünung unverhofft auf die Seite gelegt hatte. Kate hatte gleich bemerkt, wie hilflos Henry angesichts Maureens Übelkeit war, und hatte es übernommen, sich um Maureen zu kümmern. Bald war Kate für beide zu einer Vertrauten geworden.
Maureen hatte ihr erzählt, warum sie aus Irland geflohen waren und schließlich diese Reise angetreten hatten. Henry hatte ihr seine Hoffnungen und Träume anvertraut: dass er seinem Vater zum Trotz ein berühmter Maler werden wolle. Kate bewunderte den Mut der beiden, und sie hoffte, eines Tagesauch einen Mann wie Henry zu finden, der sie liebte und beschützte und alles tat, um sie zu halten.
Sie erhob sich und schob Maureens Hand unter die Decke,
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