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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Tunnels.
    Pechschwarze Finsternis umgab sie.
    Damals war er erst zwölf. Noch nicht gestorben. Noch nicht in der Hölle gewesen. Noch nicht zurückgekehrt. Die Dunkelheit machte ihn damals genauso blind wie alle anderen, wie Tod.
    Der Zug donnerte durch Schwingtüren in einen hell erleuchteten Tunnelabschnitt, der langsam anstieg. Dann drosselte der Zug sein Tempo, bis er fast nur noch kroch. Links und rechts wurden sie von Monsterfiguren bedroht, bleichen, mannshohen Gestalten, die sich aufrichteten und hohle Schreie ausstießen. In ihren runden Mäulern rotierten gräßliche Zähne wie die Messer in einer Müllvernichtungsanlage. Der Anstieg wurde immer steiler, und noch mehr mechanische Monster schnatterten, johlten, heulten, knurrten und kreischten ihnen entgegen. Sie waren bleich und schleimig, mit glühenden Augen oder schwarzen leeren Augenhöhlen, die Sorte Kreatur, die man normalerweise ganz tief unter der Erde vermutete – natürlich nur, wenn man keine Ahnung hatte.
    An dieser Stelle mußte man sich für die Mutprobe fertig machen. Obwohl es noch mehr Steigungen auf der Strecke gab, verlief die Fahrt hier für eine Weile relativ ruhig, und man hatte Zeit genug, unter der Sicherheitsstange durchzuklettern.
    Jeremy fing an, sich mühsam unter der Stange durchzuwinden, doch Tod rührte sich nicht. »He, komm schon, du Schlafmütze, du mußt an deinem Platz sein, bevor wir oben sind.«
    Tod sah sich ängstlich um. »Wenn sie uns erwischen, werfen sie uns raus.«
    »Die erwischen uns schon nicht.«
    Zum Ende der Fahrt würde der Zug gemächlich durch ein dunkles Tunnelsegment rollen, und die Fahrgäste konnten sich wieder beruhigen. In diesen letzten Sekunden, bevor der Zug in die künstliche Höhle einlief, von der sie gestartet waren, konnte man sich wieder unter der Sicherheitsstange durchzwängen und bequem Platz nehmen. Jeremy wußte, daß er es konnte, er hatte auch keine Angst davor, erwischt zu werden. Tod brauchte sich auch keine Sorgen zu machen, wie er auf seinen Sitz zurückkam, denn bis dahin würde er schon tot sein. Er brauchte sich dann überhaupt keine Gedanken mehr zu machen.
    »Ich hab' keine Lust, mich wegen der Mutprobe rausschmeißen zu lassen«, maulte Tod, als der Zug die erste lange Steigung zur Hälfte genommen hatte. »Der Tag war doch super, und wir haben noch viel Zeit, bis Mom uns abholt.«
    Mutierte Albinoratten pfiffen rechts und links von den künstlichen Felsen, und Jeremy sagte: »Schon gut, du bist und bleibst halt 'ne Memme.«
    »Ich bin keine Memme«, erwiderte Tod trotzig.
    »Aber ja doch, sicher.«
    »Bin ich nicht!«
    »Wenn die Schule wieder anfängt, solltest du den Haushaltskurs belegen, da lernst du kochen und stricken und wie man Blumenarrangements macht.«
    »Du bist ein Arsch, weißt du das?«
    »Ohhhhhhh, jetzt hast du mir das Herz gebrochen«, schluchzte Jeremy, während er sich auf seinen Sitz kauerte. »Ihr Mädels könnt einem wirklich das Leben schwermachen.«
    »Du Hirnamputierter.«
    Der Zug kroch die Steigung hinauf, und das für Achterbahnen typische harte Klicken und Rattern ließ einem schon das Herz schneller schlagen und im Magen flau werden.
    Jeremy zwängte sich unter der Stange durch und stellte sich auf die Fußstütze, den Blick nach vorn gerichtet. Als er über die Schulter blickte, sah er Tod in seinem Sitz schmollen. Inzwischen war es ihm egal, ob Tod zu ihm rauskletterte oder nicht. Er hatte beschlossen, den Jungen zu töten, und wenn schon nicht an seinem zwölften Geburtstag in Fantasy World, dann eben woanders, später. Allein der Gedanke daran machte ihm unheimlichen Spaß. Wie bei der Fernsehwerbung für Heinz-Ketchup, der so dickflüssig war, daß es anscheinend Stunden brauchte, bis er aus der Flasche troff: Vor-freuuuuuu-de! Wenn er ein paar Tage oder Wochen länger auf eine passende Gelegenheit warten mußte, Tod zu töten, gab das der Sache nur noch mehr Reiz. Also piesackte er Tod nicht weiter und schaute ihn nur verächtlich an. Vor-freuuuuuu-de!
    »Ich habe keine Angst«, beteuerte Tod.
    »Ja. Ja.«
    »Ich will mir nur nicht den Tag verderben.«
    »Aber ja doch.«
    »Hirnie«, sagte Tod.
    Jeremy zischte: »Astronauten-Asse, von wegen.«
    Das saß. Tod fuhr so auf sein Freundschaftsgefasel ab, daß es ihn sichtlich traf, wenn nur der leiseste Zweifel daran geäußert wurde, daß er sich als echter Freund bewährte. Sein entgeisterter Gesichtsausdruck verriet nicht nur, daß er zutiefst verletzt war, sondern auch eine

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