Das Versteck
schlürfte er das heiße Gebräu. Er fröstelte plötzlich stärker als eben noch draußen in der kalten Nachtluft.
»Was meinst du?« fragte Lindsey. »Ob sie deinen Anruf ernstgenommen haben?«
»Das war ein Schuß in den Ofen«, sagte er.
Vassago fuhr immer noch den perlgrauen Honda von Renata Desseux, die er Samstagnacht überfallen und seiner Sammlung einverleibt hatte. Der Wagen ließ sich gut fahren, besonders auf der kurvenreichen Straße. Vassago kam von Honells Haus und steuerte nun dichter besiedeltes Gebiet an.
Als er gerade eine besonders enge Kurve nahm, kam ihm ein Streifenwagen entgegen. Die Sirene war nicht eingeschaltet, doch das Blaulicht warf gespenstische Schatten auf die Schieferwand des Canyons und die knorrigen Äste der überhängenden Bäume.
Er blickte abwechselnd auf den Weg vor sich und auf die Heckleuchten des Streifenwagens in seinem Rückspiegel, bis sie hinter einer Kurve verschwanden. Der Wagen war bestimmt auf dem Weg zu Honells Haus. Das unentwegte Klingeln des Telefons, das seine Fragen unterbrochen hatte, mußte irgendwie einen Alarm bei der Polizei ausgelöst haben, nur konnte er sich nicht erklären, wie und warum.
Vassago setzte seine Fahrt mit unverändertem Tempo fort. Am Ende von Silverado Canyon bog er nach Süden in die Santiago Canyon Road ein und hielt sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit, wie es sich für einen braven Staatsbürger gehörte.
8
Hatch lag im Bett und grübelte. Die Vorstellung, daß seine Welt allmählich zerbrechen und alles um ihn herum sich in nichts auflösen könnte, quälte ihn.
Sein Glück mit Lindsey und Regina war doch in greifbarer Nähe. Oder täuschte er sich? Waren sie unerreichbar für ihn geworden?
Wenn er doch nur eine Eingebung hätte, die diese übernatürlichen Vorkommnisse in einem anderen Licht erscheinen ließe. Solange er das Böse, das in sein Leben getreten war, nicht identifizieren konnte, wußte er auch kein Mittel, es zu bekämpfen.
Dr. Nyeberns Worte klangen in ihm nach: Ich glaube, daß das Böse eine reale Macht ist, eine Energie für sich, eine Präsenz in unserer Welt.
Hatch vermeinte, immer noch einen leichten Brandgeruch von den angekohlten Seiten des Kunstmagazins auszumachen. Er hatte die Zeitschrift vorsichtshalber in seinem Schreibtisch eingeschlossen, den Schlüssel abgezogen und an seinen Schlüsselbund gehängt.
Es war bisher nie nötig gewesen, etwas wegzuschließen, und Hatch wußte selbst keine Erklärung für seine Vorsicht. Sicherung von Beweismaterial, redete er sich ein. Aber Beweismaterial wofür? Die verkohlten Seiten der Zeitschrift gaben keinerlei Beweis ab, für nichts und niemanden.
Nein. Das stimmte nicht ganz. Die Zeitschrift war für ihn, wenn schon nicht für andere, Beweis genug, daß nicht alles nur seiner Phantasie oder seinen Halluzinationen entsprungen sein konnte. Was er um seines eigenen Seelenfriedens willen weggeschlossen hatte, stellte in der Tat ein Beweis stück dar. Einen Beweis dafür, daß er nicht verrückt war.
Lindsey lag neben ihm, ebenfalls wach. Entweder konnte sie nicht oder wollte nicht einschlafen. Sie sagte: »Und wenn der Killer …«
Hatch wartete ab, obwohl er wußte, was sie sagen wollte. Nach einer Weile fuhr sie auch tatsächlich fort:
»Wenn der Killer dich nun genauso spüren und sehen kann wie du ihn. Wenn er dich verfolgt … uns … Regina?«
»Morgen werden wir Vorsorge treffen.«
»Was für eine Vorsorge?«
»Schußwaffen zum Beispiel.«
»Aber vielleicht brauchen wir Hilfe.«
»Wir haben keine andere Wahl.«
»Polizeischutz vielleicht.«
»Ich habe das unbestimmte Gefühl, daß die Polizei kein besonderes Interesse daran hat, Leute zum Schutz eines Mannes abzustellen, der behauptet, einen übersinnlichen Draht zu einem wahnsinnigen Mörder zu besitzen.«
Der Wind, der vorhin noch trockene Rhododendronblätter durch das Einkaufszentrum gewirbelt hatte, machte sich jetzt über das lose Gitter eines Regensiels her und ließ es klappern.
»Ich war doch irgendwo, als ich tot war«, sagte Hatch.
»Was willst du damit sagen?«
»Fegefeuer, Himmel, Hölle – das sind doch die gängigen Möglichkeiten für einen Katholiken, wenn es stimmt, an was wir glauben.«
»Aber … du hast doch immer erklärt, daß du kein Sterbeerlebnis hattest.«
»Hatte ich auch nicht. Ich kann mich an nichts erinnern … von jenseits. Das heißt aber noch lange nicht, daß ich nicht dort war.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Möglicherweise ist
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