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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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ihr Fritz gewesen.«
    »Möglicherweise lag sie damit gar nicht so falsch. Die Version, die Beate Angermeier uns aufgetischt hat, ist nämlich gelogen. Konstantin Lischka hat sie und Fritz Lenhardt nicht bei einem Schäferstündchen erwischt.«
    »Die beiden hatten gar kein Verhältnis?«
    »Sie hatten eines, aber sie wurden schon Monate vorher von einer Mitarbeiterin überrascht.«
    »Warum …?«
    »Beate Angermeier wollte damit das, was Sie Theresa Lenhardt auf ihrem Sterbebett offenbart hatten, vom Tisch wischen, um die Erbschaftsangelegenheit zu beschleunigen.«
    »Das heißt, ich habe mich nicht verhört?«
    »Vermutlich nicht.«

19
An meine alte Gurke gelehnt, rauchte Henrike eine Zigarette. Sie inhalierte tief und behielt den Rauch für Sekunden in ihrer Lunge, bevor sie ihn langsam ausatmete. Ich las die SMS von Simon, der mir vorschwärmte, was ich alles verpassen würde, und damit schloss, dass er mich vermisse. Ich schickte ihm gerade einen Kuss zurück, als fünf lärmende Jungs um die Ecke bogen. Einer von ihnen ließ einen Fußball rhythmisch auf den Bürgersteig knallen. Sie waren alle ungefähr gleich groß und im selben Alter. Ich schätzte, dass sie noch nicht lange zur Schule gingen. Als sie näher kamen, saugte sich mein Blick an einem der Jungen fest. Einen Moment lang kam es mir vor, als sei Ben einem seiner Kinderfotoalben entstiegen und genau hier auf dieser Straße gelandet. Ich schloss die Augen, nur um sie sofort wieder zu öffnen. Haarfarbe und Gesichtsstruktur entsprachen Bens, nur der Mund war anders. Ohne uns zu beachten, liefen die Jungen an uns vorbei und bogen in die Auffahrt der Veltes. Ich starrte ihnen hinterher.
    Dann rannte ich los und rief, sie sollten warten. Fast gleichzeitig drehten sie sich um und sahen mich an, als hätten sie etwas ausgefressen. Der Junge, der Ben so ähnlich sah, hielt den Ball fest umschlungen.
    »Sagst du mir, wie du heißt?«, fragte ich ihn.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wohnst du hier?«
    »Ich darf nicht mit Fremden reden.«
    Henrike tauchte neben mir auf. »Was ist denn los, Kris?«
    Ich drehte den Jungen den Rücken zu und senkte meine Stimme. »Der Junge mit dem Ball … er sieht aus wie Ben als kleiner Junge.«
    Inzwischen hatte Rena Velte die Tür geöffnet, und die Jungen waren an ihr vorbei ins Haus gestürmt. Als sie die Tür gerade schließen wollte, entdeckte sie uns. »Haben Sie etwas vergessen?«
    »Ja«, antwortete Henrike, »dürfen wir noch einmal kurz hineinkommen?«
    Das Nein stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
    »Es geht ganz schnell«, beteuerte Henrike und ging zielstrebig auf sie zu.
    Widerstrebend tat Rena Velte einen Schritt zur Seite, um uns hineinzulassen. Dieses Mal bat sie uns nicht in ihr Wohnzimmer, sondern versuchte uns im Eingangsbereich abzufertigen. »Ich habe wenig Zeit, die Jungs sind hungrig.«
    Also machte ich es kurz. »Welcher der Jungen ist Ihr Sohn, Frau Velte?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«, fragte sie überrascht.
    »Ist es der mit den blonden Haaren? Der, der meinem Bruder Ben so ähnlich sieht?«
    Sie zuckte zusammen und schien für Sekunden zu erstarren. Dann zog sie die Brauen zusammen. »Für so einen Unsinn habe ich wirklich keine Zeit. Und jetzt gehen Sie bitte, ich habe zu tun.«
    »Ist er Ihr Sohn?«
    »Mir reicht es jetzt, Frau Mahlo. Nehmen Sie Ihre Mitarbeiterin, und verlassen Sie unser Haus!« Sie machte einen entschlossenen Schritt auf uns zu, musste allerdings feststellen, dass wir keinen Millimeter zurückwichen.
    »Sie haben die Wahl.« Mein Herz klopfte bis zum Hals, und ich hatte das Gefühl, völlig außer Atem zu sein. Als sei ich sechs Jahre lang gerannt, um in diesem Moment genau hier anzukommen. »Entweder wir reden und Sie beantworten mir meine Fragen, oder wir warten vor dem Haus, bis die vier Jungen, die nicht Ihre sind, wieder herauskommen. Auch so lässt sich herausfinden, welcher Ihr Sohn ist.«
    »Das dürfen Sie nicht.«
    »Welches Gesetz sollte es uns verbieten?«, fragte Henrike mit spöttischem Unterton.
    Rena Velte machte auf dem Absatz kehrt und bedeutete uns, ihr zu folgen. Dieses Mal ging es in die entgegengesetzte Richtung, fort vom Wohnzimmer und dem Zugang zum Garten, in den die Jungen vermutlich verschwunden waren. In der Küche, die mindestens vierzig Quadratmeter maß und alles bot, was das Herz eines Hobbykochs erwärmte, setzte Rena Velte Wasser auf und holte zwei Pakete Spaghetti aus einem der Schränke. Henrike und mich würdigte sie keines

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