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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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überrascht?«
    »Natürlich. Ich war sechs Jahre lang von einer anderen Version überzeugt. Und was das Schlimmste ist: Ich habe Theresa kurz vor ihrem Tod davon erzählt und sie mit Sicherheit damit durcheinandergebracht. Im Nachhinein habe ich ein sehr schlechtes Gewissen deswegen.«
    Das war mein Stichwort. Ich hatte meine Frage lange genug zurückgehalten. »Ich habe noch eine sehr persönliche Frage, Frau Velte«, setzte ich an. »An Fritz Lenhardts Geburtstagsabend glaubten Sie noch, den Namen Ben Mahlo verstanden zu haben. Und wie Sie sagten, hat Sie das Verschwinden meines Bruders sehr beschäftigt.«
    Sie wurde rot und wich meinem Blick aus. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen«, sagte sie leise und blickte wieder hinaus in den Garten.
    »Mein Bruder war spurlos verschwunden, wir haben nach dem kleinsten Hinweis gesucht, was mit ihm geschehen sein könnte. Warum haben Sie sich nicht an die Polizei gewandt?«, fragte ich sie vorwurfsvoll.
    »Wir haben uns darüber die Köpfe zerbrochen, glauben Sie mir, aber …«
    »Wer ist wir?«, fragte Henrike.
    »Mein Mann und ich. Als wir am nächsten Morgen diese entsetzliche Nachricht von Konstantins Ermordung erhielten, habe ich Tilman sofort davon berichtet, was ich am Abend zu hören geglaubt hatte. Wir haben hin und her überlegt und sind schließlich zu dem Schluss gekommen, dass wir Fritz damit in den Fokus der Ermittlungen zerren würden. Immerhin hatte er Tilman einmal in einer schwachen Stunde gebeichtet, dass er sich auch zu Männern hingezogen fühlte. Ihr Bruder war homosexuell, möglicherweise hatte Fritz sich aus genau diesem Grund mit ihm getroffen. Und Konstantin, der die beiden beobachtet und Fritz damit erpresst haben könnte, war am nächsten Morgen tot. Mit meiner Aussage hätten wir die Polizei auf eine völlig irrwitzige Spur gelenkt und höchstens Kapazitäten gestohlen für die Überprüfung wirklich wichtiger Hinweise.«
    »Haben Sie dabei auch nur eine Sekunde lang an das Schicksal meines Bruders gedacht?«, fragte ich fassungslos. »Bens Leben hätte auf dem Spiel stehen können, für Ihren Freund Fritz stand nur seine Freiheit auf dem Spiel.«
    »Glauben Sie nur nicht, wir hätten es uns leicht gemacht!« Sie sprang auf, ging ein paar Schritte Richtung Terrasse und stellte sich mit dem Rücken zu ihrem Garten, als könne er ihr eine Stütze sein. »Fritz war ein enger Freund, Ihren Bruder kannten wir nicht. Außerdem mussten wir auch an Nadja denken, sie hatte gerade ihren Mann verloren, stand völlig allein mit zwei Kindern und ohne Geld da. Hätte ich Konstantin da auch noch als Erpresser hinstellen sollen?« Sie schien keine Antwort zu erwarten.
    Mein Handy meldete eine SMS, aber ich ignorierte sie. »Eine letzte Frage habe ich noch, Frau Velte. Haben Sie Ihren Freund Fritz nach dessen Verurteilung im Gefängnis besucht?«
    Sie sah mich an, als habe ich ihr einen Stich versetzt. »Ich wollte es, aber ich hatte nicht den Mut.«
    »Wovor hatten Sie denn Angst?«, fragte ich. »Davor, dass sich herausstellen könnte, dass es gar nicht Fritz Lenhardt war, der mit Konstantin Lischka auf dem Flur gesprochen hat?«
    »Ich hatte ein kleines Kind zu versorgen.« Sie zuckte hilflos die Schultern. »Aber das war es nicht allein. Es war eine sonderbare Zeit damals … als hätten wir alle den Atem angehalten. Wir waren sehr eng miteinander gewesen, und dann … plötzlich fehlten zwei der Freunde. So ein Verbrechen ist wie ein Schuss, der die Stille für immer zerfetzt.«
    Sie hatte all die Jahre geschwiegen und nur mit ihrem Mann darüber gesprochen, dachte ich fast staunend und versuchte mir das in letzter Konsequenz vorzustellen.
    Als könne sie meine Gedanken lesen, sagte sie: »Ich habe es mit den Jahren verdrängt und irgendwann gar nicht mehr daran gedacht. Bis Theresa mir diese Frage stellte, ob es etwas gebe, das ich damals nicht ausgesagt hätte. Plötzlich war es wieder da.«
    »Wie hat Theresa Lenhardt eigentlich darauf reagiert?«, fragte Henrike.
    »Euphorisch. Als gebe es endlich den alles entscheidenden Hinweis für Fritz’ Unschuld. Von einer möglichen homosexuellen Neigung ihres Mannes wollte sie überhaupt nichts hören. Diesen Hinweis hat sie als absurd abgetan. Sie war überzeugt, Tilman müsste Fritz damals falsch verstanden haben, immerhin seien beide Männer ja wohl betrunken gewesen. Und der Satz über Ben Mahlo beweise, dass Konstantin versucht habe, jemanden zu erpressen. Dieser Jemand sei jedoch mit Sicherheit nicht

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