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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Blickes, als könne sie uns durch bloßes Ignorieren fortzaubern.
    »Ihr Sohn – wie heißt er eigentlich?«, nahm ich den Faden wieder auf und bemühte mich um einen behutsamen Ton.
    »Sebastian.«
    »Wie ich erfahren habe, ist er durch künstliche Befruchtung unter Anwendung von Präimplantationsdiagnostik gezeugt worden.«
    »Wer sagt das?«
    »Niemand, der damit seine Schweigepflicht verletzt hätte.«
    »Nadja«, sagte sie und ballte die Fäuste.
    »Wo haben Sie die PID vornehmen lassen?«
    »Da Sie sich mit der Gesetzeslage so gut auszukennen scheinen, dürfte Ihnen die Antwort klar sein. Als Sebastian gezeugt wurde, war die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland noch verboten. Wir haben uns an eine Klinik im Ausland wenden müssen.«
    »Und das, obwohl Sie in Beate Angermeier eine Freundin haben, die dieses Verfahren beherrscht. Das muss schwer für Sie gewesen sein.«
    Rena Velte schüttete Salz ins Nudelwasser und schloss den Deckel des Topfes. Dann zupfte sie scheinbar unbeteiligt vertrocknete Blättchen aus verschiedenen Kräutertöpfen.
    »Vielleicht«, fuhr ich leise fort, »hat sie Ihnen aber auf andere Weise helfen können.«
    Sie hielt den Atem an, richtete den Blick jedoch weiter auf die Töpfe mit den Kräutern.
    »Mein Bruder Ben hat für das Kinderwunschinstitut der Angermeiers Samen gespendet. Wussten Sie das?«
    In diesem Moment klingelte ein Handy, das auf dem Küchentisch lag. Rena Velte stürzte sich darauf wie auf einen Rettungsring. Sie warf einen Blick aufs Display, atmete tief durch und meldete sich schließlich mit ruhiger Stimme. Am anderen Ende der Leitung war ihr Mann. Sie erzählte ihm, dass sie eine riesige Portion Spaghetti für fünf hungrige Mäuler kochen und später ihr Beet weiter umgraben würde. Er müsse sich nicht beeilen. Uns erwähnte sie mit keiner Silbe.
    Henrike, die es leid war zu stehen, setzte sich an den Küchentisch, an dem eine Großfamilie Platz gefunden hätte und auf dem eine Holzschale mit getrockneten Lavendelblüten stand. Ich lehnte mich gegen den Tisch.
    »Wussten Sie das?«, wiederholte ich meine Frage, als sie das Telefonat beendet und das Handy in die Hosentasche geschoben hatte.
    »Selbstverständlich nicht! Wollen Sie Beate Angermeier nun auch noch unterstellen, ihren Unterhaltungswert zu steigern, indem sie die Identität ihrer Samenspender beim Kaffeeklatsch preisgibt?«
    »Mein Bruder hat möglicherweise nicht nur für das Kinderwunschinstitut Samen gespendet, sondern vermutlich auch nebenher kleine Privatgeschäfte gemacht. Soll ich Ihnen sagen, was ich glaube, nachdem ich Ihren Sohn Sebastian gesehen habe?«
    Sie hatte uns den Rücken zugedreht, sodass ihr Gesicht nicht zu sehen war.
    »Vielleicht haben Sie irgendwann Ihre Freundin Beate in deren Institut besucht. Sie wird Sie sicher bezüglich Ihres Kinderwunschs und der damit verbundenen Problematik beraten haben, schließlich ist sie vom Fach. Und vielleicht ist Ihnen bei einem dieser Besuche mein Bruder Ben über den Weg gelaufen. Und vielleicht haben Sie begriffen, dass er dort war, um Samen zu spenden. Dann haben Sie ihn betrachtet, haben gesehen, dass er genau wie Ihr Mann blond ist, grüne Augen hat und groß gewachsen ist. Und vielleicht haben Sie sich dann ein Herz gefasst und ihn angesprochen. Nach allem, was ich inzwischen über meinen Bruder erfahren habe, hätte er Sie nicht abgewiesen. Er hätte lediglich einen guten Preis verlangt. Vielleicht hatten Sie damals die Eingebung, dass es nicht viel brauchte, um die genetische Disposition Ihres Mannes …«
    »Hören Sie auf«, sagte sie so leise, dass sie kaum zu verstehen war. »Gehen Sie und kommen Sie nie wieder hierher!« Sie wandte sich um. »Nie wieder!«
    Ich kam mir längst vor wie ein Schwein. Und das, was jetzt folgte, machte es keinen Deut besser. »Gut.« Ich machte Anstalten zu gehen und gab Henrike ein Zeichen, es mir gleichzutun. »Wenn Sie nicht mit mir darüber reden wollen, wende ich mich an Ihren Mann.«
    »Welches Recht haben Sie …?« Ihr traten Tränen in die Augen, und sie sah mich zutiefst erschrocken an.
    »Das Recht der Schwester von Ben Mahlo, der seit sechs Jahren verschwunden ist, ohne eine Spur zu hinterlassen. Der seinen Samen verkauft hat und möglicherweise deshalb sterben musste.«
    Sie kam zum Tisch und ließ sich schwer auf die Bank fallen. Zwischen ihr und uns lagen gut drei Meter. »Sie phantasieren sich da etwas zusammen, Frau Mahlo. Ich bin Ihrem Bruder nie begegnet.« Sie stützte die

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