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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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unterstelle. Ich wusste, wie unfair das war, aber ich konnte in diesem Moment nicht anders.
    Wir waren beide so aufgebracht, dass wir für den Rest der Fahrt schwiegen. Während ich mich auf den Verkehr konzentrierte, der durch die zahllosen Wochenendbesucher kein bisschen besser war als unter der Woche, sah Henrike stur aus dem Seitenfenster. Erst als der Friedensengel in Sicht kam, räusperte sie sich und murmelte eine Entschuldigung. Erleichtert tat ich es ihr gleich.
    Kurz darauf bog ich in eine verkehrsberuhigte Seitenstraße und hielt vor einer Jugendstilvilla. Wir stiegen aus und studierten die drei Klingelschilder, in die jeweils nur ein Großbuchstabe mit einem Punkt dahinter graviert worden war. Bei A. wie Angermeier klingelten wir. Anstatt des üblichen Summtons für den Türöffner wurde die Tür nur einen Augenblick später mit Schwung aufgerissen, und Christoph Angermeier kam heraus. Seinen kahlen Schädel bedeckte eine Schirmmütze, seine Füße steckten in Golfschuhen.
    Verdutzt begrüßte er uns. »Wenn Sie zu mir wollen, muss ich Sie enttäuschen.« Er warf einen schnellen Blick auf seine Uhr. »Ich bin spät dran, mein Golfpartner erwartet mich um fünfzehn Uhr.«
    »Wir wollten mit Ihrer Frau sprechen«, sagte ich. »Ist sie zu Hause?«
    »Sie können auch kurz mit mir sprechen«, meinte er nun plötzlich und machte damit eine Hundertachtziggradwendung.
    »Ist sie da?«
    Er wurde eine Spur ungehalten. »Worum geht es denn?«
    Anstatt zu antworten, sah ich ihn abwartend an.
    »Jetzt machen Sie es nicht so spannend, Frau Mahlo. Meine Frau und ich haben keine Geheimnisse voreinander.«
    »Dann wären Sie als Paar die große Ausnahme«, warf Henrike trocken dazwischen.
    Der Blick, den sie dafür erntete, hätte waffenscheinpflichtig sein müssen. Beim Versuch, seine Wut hinunterzuschlucken, hatte sein Adamsapfel kräftig zu tun. Christoph Angermeier zog den Hausschlüssel aus der Hosentasche und öffnete die Tür. »Kommen Sie, ich bringe Sie hoch!«
    Während wir in dem großzügigen und wunderschön restaurierten Treppenhaus die Stufen hinter ihm hochstiegen, tauschten wir beredte Blicke aus. Wir wollten ungestört mit Beate Angermeier reden. So entschlossen, wie ihr Mann wirkte, würde das allerdings ein hartes Stück Arbeit werden. In der Duftwolke seines Aftershaves folgten wir ihm, ohne ein weiteres Wort mit ihm zu wechseln.
    Er schloss die Wohnungstür auf, ließ uns hinein und gab uns den Blick frei in ein supermodernes Ambiente unter Stuckdecken: knallig lackierte Schrankelemente an den Wänden, Designersessel in Leder und mit Kuhfell überzogene Beistelltische, dazwischen Lampen, die wie gewaltige, pastellige Blüten aussahen. Auf den Beistelltischen lagen Kunstbände und Golfmagazine. Hier hatte sich eine persönliche Note gegen die des Inneneinrichters durchgesetzt.
    »Warten Sie einen Moment, ich hole meine Frau, sie telefoniert schon seit Ewigkeiten mit einer Freundin.«
    Wer diese Freundin war, konnten wir uns an fünf Fingern abzählen. Es dauerte keine Minute, bis Christoph Angermeier mit seiner Frau im Schlepptau erschien und sich betont lässig in einen der Sessel fallen ließ.
    »Worum geht es?«, fragte Beate Angermeier geschäftsmäßig freundlich und stützte sich auf ihre Gehhilfen.
    »Das würden wir gerne mit Ihnen alleine besprechen«, antwortete ich.
    »Kein Problem.« Sie warf ihrem Mann einen auffordernden Blick zu. »Ich bin schon ein großes Mädchen«, fügte sie spöttisch an, als er darauf nicht reagierte.
    Widerstrebend stand er auf und blieb unschlüssig vor uns stehen.
    »Wir tun Ihrer Frau nichts, Herr Doktor Angermeier«, sagte Henrike, »wir möchten lediglich mit ihr reden.«
    »Das hier ist auch meine Wohnung!« Die Wut darüber, vertrieben zu werden, stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Ich bitte dich!«, machte seine Frau ihrem Ärger Luft und zog abweisend ihre Schulter weg, als er im Vorbeigehen seine Hand darauflegte.
    Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum. Als hätten wir uns abgesprochen, warteten wir alle drei, bis wir die Wohnungstür ins Schloss fallen hörten.
    »Ich weiß, was Sie wollen«, sagte die Ärztin. »Rena hat mich gerade völlig aufgelöst angerufen und mir von Ihren hanebüchenen Vermutungen erzählt. Damit gehen Sie eindeutig zu weit!«
    »Könnten wir uns bitte setzen?«, fragte Henrike. Ohne die Antwort abzuwarten, ließ sie sich in einen der schlammfarbenen Designersessel mit Chromumrandung sinken.
    Ich tat es ihr gleich.

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