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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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hinterher, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und zu ihren Kundinnen zurückeilte.
    Ich schob das kleine, schwarze Gerät in die Hosentasche und machte mich auf den Weg. Immer wieder sah ich mich um, ob mir jemand folgte. Es wäre mir mit Sicherheit aufgefallen, denn bei dem unwirtlichen Wetter war in den Seitenstraßen, die ich entlanglief, kaum jemand unterwegs. Ich achtete jedoch nicht nur auf einen möglichen Verfolger, sondern suchte auch die Umgebung nach einer ganz bestimmten Krähe mit Wirbel im Kopfgefieder ab. Wenn ich von Weitem einen oder mehrere der schwarzen Vögel entdeckte, pfiff ich durchdringend. Aber es war vergebens. Alfred schien aus meinem Leben verschwunden zu sein. Meine Hoffnung auf sein unverwechselbares Krächzen spielte mir mehr als einmal einen Streich, wenn ich meinte, es gehört zu haben.
    Nachdem ich mir im Menzingers eine Pizza Quattro formaggi besorgt hatte, verstaute ich sie so gut wie möglich in meinem Fahrradkorb und radelte im Regen zurück. Den dunklen Wolken und der Windstille nach zu urteilen, würde das feuchte Wetter anhalten. Zu Hause zog ich mir trockene Sachen an und aß die Pizza im Stehen, während ich aus meinem Küchenfenster in den Park hinausschaute. Ohne ein Fernglas würde ich Alfred zwischen den anderen Krähen jedoch nicht erkennen können. Ich ließ den Rest der Pizza liegen und verzog mich ins Wohnzimmer. Es war an der Zeit, mich mit Ben zu beschäftigen.
    In den vergangenen vier Jahren hatte ich es mir verboten, immer wieder in seinen Fotoalben zu blättern. Ich hatte sie in die unterste Ecke des Regals verbannt. Jetzt holte ich die Alben hervor und suchte ein Foto heraus, das meinen Bruder im Alter von sieben Jahren zeigte. Ich löste es heraus und lehnte es gegen einen Stapel Bücher auf dem Tisch. Dann ließ ich mich aufs Sofa fallen, legte die Füße hoch und betrachtete es. Beate Angermeier hatte es zwar nicht explizit ausgesprochen, aber sie hatte auch nicht abgestritten, dass Ben Sebastians biologischer Vater war. Dieses Foto verscheuchte die letzten Zweifel.
    Damit hatte ich endlich den Faden gefunden, der von Ben zu Theresa Lenhardts Freunden führte. Aber führte dieser Faden auch zu dem Mord an Konstantin Lischka? Und war er tatsächlich der einzige? Oder hatte auch durch Bens Homosexualität eine Verbindung zu einem der Freunde bestanden?
    Es fehlten immer noch die Antworten auf entscheidende Fragen wie die, woher Konstantin Lischka meinen Bruder überhaupt gekannt hatte. Oder hatte er ihn vielleicht nur er kannt, von den Fotos in den Zeitungen oder meiner Plakataktion? Er hätte Ben nicht kennen müssen, um sich daran zu erinnern, dass er ihn schon einmal gesehen hatte. Ich hab dich mit Ben Mahlo gesehen …
    Wer hätte sich erpressbar gemacht, wenn er mit Ben beobachtet worden wäre? Die Antwort war simpel: Jemand, der keinesfalls mit ihm hätte in Verbindung gebracht werden dürfen. Wer kam dafür infrage? Jemand, der seine Homosexualität nicht offen lebte. Und dafür kamen Fritz Lenhardt und Tilman Velte in Betracht. Nicht zu vergessen Christoph Angermeier. Es konnte ein Fehler sein, ihn allein wegen des Gerüchts der sexuellen Nötigung einer Frau von dieser Liste zu streichen. Doch es gab keinerlei Beweise, bei allen dreien bewegte ich mich auf dem wackligen Boden der Spekulation. Hier kam ich also nicht weiter.
    Was war mit der Samenspende? Für wen wäre hier ein offensichtlicher Kontakt zu Ben problematisch gewesen? Rena Velte kam mir dabei als Erste in den Sinn, aber sie musste ich streichen. Hätte sie von Bens Rolle als Samenspender gewusst, hätte sie ihn niemals erwähnt. Blieben Fritz Lenhardt und die Angermeiers.
    Wenn Konstantin Lischka herausgefunden hätte, dass Ben Spender für das Kinderwunschinstitut gewesen war, hätte ihm das vermutlich für eine Erpressung gereicht. Wie aber hätte der Journalist davon überhaupt erfahren können? War er Ben im Institut über den Weg gelaufen?
    Ich rief Beate Angermeier an und fragte sie, ob Konstantin Lischka zwischen Bens Verschwinden und dem vierzigsten Geburtstag bei ihnen im Institut gewesen sei. Ihre Antwort lautete Nein. Keine von uns erwähnte die Lüge, die sie mir vor Kurzem noch zu Konstantins Besuch im Institut aufgetischt hatte. Ob er ihren Mann oder Fritz Lenhardt von ihr unbemerkt besucht haben könnte, forschte ich weiter. Das sei möglich, aber unwahrscheinlich, Konstantin sei ihres Wissens nach auch vorher nie dort aufgetaucht. Sollte es dennoch geschehen sein,

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