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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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einer Belanglosigkeit. »Ich habe ihn mit einem Klappspaten erschlagen. Das war praktisch, damit konnte ich ihn auch gleich vergraben.«
    Meine Adern fühlten sich an, als würden kalte Schauer durch sie hindurchjagen. Ich versuchte meine Sitzposition zu verändern, aber sobald ich mich bewegte, schnitten die Kabelbinder in Hand- und Fußgelenke. Der Personenalarm steckte tief in meiner Hosentasche unter dem Overall. Ich spürte ihn auf meinem Oberschenkel, und doch war er unerreichbar. »Wusste mein Bruder, was mit ihm geschah?«
    Auch diese Frage schien ihm überflüssig zu sein, trotzdem nahm er sie auf. »Ich habe einen Platten vorgetäuscht, und er hat sich hilfsbereit über mein Rad gebeugt. Das war’s. Eigentlich viel zu gnädig für das, was er sich zuschulden hat kommen lassen. Aber ich musste mich beeilen, ich konnte keine Zeugen gebrauchen.«
    »Wie haben Sie das mit dem Fahrrad bewerkstelligt? Es lehnte an der Stelle auf dem Hof, wo er es immer abgestellt hat.«
    »Es dort abzustellen war keine große Sache. Ein Student, der in einer WG lebt, wird nicht gleich vermisst. Ich hatte genügend Zeit, alles zu regeln.«
    »Aber woher wussten Sie, dass es genau dort immer stand?«
    »Woher wohl! Ich hatte ihn doch oft genug beobachtet.«
    Das war keine Tötung im Affekt gewesen, er hatte alles bis ins Kleinste geplant. Und er hatte die Mordwaffe mitgenommen, als er meinen Bruder verfolgte. Während ich noch darüber nachdachte, zerknüllte er Zeitungsseiten, verteilte sie unter meinem Stuhl und schichtete sie um mich herum wie einen Scheiterhaufen. Ich dachte an die Pistole, die im Jutebeutel an der Haustür hing, und betete, dass er sie nicht fand. Andererseits wäre das vielleicht ein leichterer Tod gewesen, als an einen Stuhl gefesselt zu verbrennen.
    »Warum sind Sie vorhin zurückgekommen?«
    »Verkaufen Sie mich nicht für dumm! Tun Sie nicht so, als wüssten Sie das nicht.«
    »Erklären Sie es mir, ich möchte es verstehen.«
    »Also bitte, ich tue Ihnen den Gefallen. Sie haben diesen kleinen Moment meiner Unachtsamkeit bemerkt. Als Sie glaubten, es sei um den Betrug gegangen.« Er klang ärgerlich und verzog das Gesicht. »Ich habe Ihnen angesehen, dass Sie in diesem Moment verstanden haben, was Sache war. Aber das ist Ihre Schuld. Ganz allein Ihre Schuld.«
    »Fritz Lenhardt musste also dafür büßen, dass er meinen Bruder als Spender zugelassen hat. War es so?«
    »Aus Ihrem Mund klingt das alles immer so harmlos.« Er baute sich vor mir auf, die Hände zu Fäusten geballt. »Fritz hat versagt, es lag in seiner Verantwortung. Das war keine Lappalie! Und dafür hat er büßen müssen.«
    Er stand kaum einen Meter vor mir. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Diesem Mann, der zwei Morde begangen hatte und gerade den dritten plante. Auch auf die Gefahr hin, dass er wieder zuschlug, formulierte ich vorsichtig die nächste Frage. »An dem Abend von Fritz Lenhardts Geburtstag hat Konstantin Lischka versucht, Sie zu erpressen. Das war sein Todesurteil, nehme ich an. Also haben Sie das Messer aus der Küchenschublade genommen und ein Haar Ihres Freundes mitgehen lassen. Wie haben Sie das mit Ihrem Alibi für jene Nacht gedeichselt? Es hieß doch, Ihre Frau habe einen leichten Schlaf. Haben Sie ihr eine Schlaftablette verabreicht?«
    Er betrachtete mich skeptisch. »Was wollen Sie? Ein ausführliches Geständnis? Wenn möglich noch schriftlich?« Er lachte verächtlich und verließ den Raum. Es klang, als öffne er der Reihe nach die Küchenschränke.
    »Ich möchte die Wahrheit wissen«, rief ich. »Ich möchte begreifen, was geschehen ist.« Sekundenlang erwog ich, laut um Hilfe zu schreien. Doch die Chance, dass jemand aus der Nachbarschaft mich hörte, war geringer als die Gefahr, dass er vor Wut das Feuer entzündete. Und dann würde es vorbei sein mit Reden.
    Mit einem länglichen Paket unter dem Arm, einem Metallbehälter in der einen und einem Feuerzeug in der anderen Hand kam er zurück. Fast lässig lehnte er im Türrahmen und betrachtete mich abschätzig, während mir vor Schreck fast das Herz stehen blieb. Was in dem länglichen Päckchen war, wusste ich, ich hatte es beim Durchsuchen der Schränke vorhin selbst in Händen gehalten: Grillanzünder.
    »Gut bestückter Haushalt«, sagte er. »Aber das interessiert Sie wohl nicht so sehr. Die Wahrheit möchten Sie ja wissen«, äffte er mich nach. »Die Wahrheit ist, dass es denkbar einfach ist, jemanden

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