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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Fehler zu machen? Jeder Mensch machte Fehler.
    »So etwas lernt man zu Hause«, antwortete er, als sei es das Selbstverständlichste der Welt. »Mein Vater hätte meine Ausbildung nie anderen überlassen.«
    »Warum war es ihm so wichtig, dass Sie keinen Fehler machen?«
    »Warum?« Sein Lachen hatte etwas Mitleidiges. »Weil es darauf ankommt, besser zu sein als alle anderen … schlauer, mutiger, skrupelloser.«
    »Wozu? Welchen Wert hat es, der Beste zu sein?«
    Er ging einen Schritt zurück. Für einen Augenblick schien er aus dem Konzept zu geraten. Dann fing er sich wieder. »Dass Sie das in Ihrer kleinen, beschränkten Welt nicht begreifen, ist klar. Dank meines Vaters habe ich Karriere gemacht. Und dank meines Vaters hat man mir keinen der Morde nachweisen können, ich wurde nicht einmal verdächtigt! Mein Vater sagte immer, wenn ich Dummheit begreifen wolle, müsse ich nur ein Gefängnis besuchen, und damit hatte er recht.« Erinnerungen schienen ihn einzuholen und zu packen.
    »Was geschah, wenn Sie Fehler machten? Wurden Sie dann von Ihrem Vater bestraft?«
    »Oh nein.« Dieses Nein kam von tief drinnen. Es klang rau und ehrfürchtig.
    »Erklären Sie es mir bitte, ich …«
    In diesem Moment ertönte die Klingel und gleich darauf ein lautes Klopfen an der Tür. »Kris, bist du da?« Es war Henrikes Stimme.
    Bevor ich antworten konnte, presste er seine Hand auf meinen Mund. »Ein Ton, und sie ist auch dran«, drohte er flüsternd.
    Ich nickte und überlegte fieberhaft, wie ich ihn dazu bringen konnte, mich zur Tür gehen zu lassen. Dann könnte ich in den Jutebeutel greifen, die geladene Pistole nehmen und ….
    »Kris, bitte rede mit mir. Ich kann verstehen, dass du wütend auf mich bist, aber deine Mutter macht sich Sorgen, weil du schon so lange fort bist. Dein Handy scheint auch nicht zu funktionieren. Sag mir nur, ob alles in Ordnung ist mit dir. Bitte! Dann verschwinde ich auch gleich wieder.«
    »Sagen Sie ihr, dass Sie hier zu tun haben und sie abhauen soll. Los!«
    »Binden Sie mich los, damit ich zur Tür gehen kann«, flüsterte ich.
    »Wir können sie hören, also wird sie Sie auch hören können.« Er packte mich im Nacken und hielt mir das Feuerzeug vors Gesicht. »Los jetzt! Antworten Sie!«
    »Ich habe hier zu tun, Henrike. Ich brauche keine Hilfe. Mach du einfach das, was du gelernt hast.«
    Er packte noch fester zu. »Was ist denn das für ein Blödsinn?«
    »Das ist kein Blödsinn. Sie ist Entrümplerin. Ich habe ihr für heute ein Projekt aufgetragen.« Bitte, Henrike, betete ich im Stillen. Bitte versteh es!
    »Warum antwortet sie dann nicht?«, raunte Tilman Velte mir nervös zu.
    »Weil ihr das nicht passt. Wir hatten gestern eine längere Diskussion darüber.« Ich schluckte. »Henrike?«
    »Hab verstanden«, rief sie durch die Tür. »Du kannst dich auf mich verlassen. Ich mache meinen Job.«
    Von einer Sekunde auf die andere liefen mir Tränen über das Gesicht. Bitte, bitte, beeil dich! Er legte seine Hand wieder auf meinen Mund und lauschte. Kurz darauf hörten wir das Schlagen einer Autotür und das gedämpfte Geräusch eines Motors, der angelassen wurde.
    »Waren Sie das im Park?«, fragte ich, als er die Hand von meinem Gesicht nahm. »Haben Sie mich überfallen und unter Wasser gedrückt?«
    »Nein. Das muss ein Dilettant gewesen sein.«
    »Was ist mit den Anrufen, den Kondomen und den Fotos?«
    »Leichtes Kettenrasseln, um die Sache voranzutreiben.«
    »Zählte der Grillanzünder auf meinem Autoreifen auch zu diesem leichten Kettenrasseln?«
    »Ziemlich effektiv die Dinger.«
    »Wie haben Sie das gemacht? An dem Vormittag kamen Sie doch auf Ihrer Radtour bei mir auf dem Hof vorbei. Damit werden Sie meine Mitarbeiterin und mich wohl kaum bis hierher verfolgt haben.«
    »Ich bin mit dem Rennrad bei Ihnen auf dem Hof vorgefahren, das ist alles. Mein Auto stand ganz in der Nähe.«
    »Waren das auch Sie mit der Kerze und den Bonsais?«
    Die Frage schien ihm nicht wert, darauf zu antworten. Er lauschte angestrengt, ob sich draußen etwas tat.
    »Haben Sie eine Vorstellung, was Sie meinen Eltern angetan haben, als Sie ihren Sohn umbrachten?«
    »Ihre Eltern interessieren mich nicht«, antwortete er kalt.
    »Aber Ihr Sohn Sebastian liegt Ihnen am Herzen. Bisher sind Sie mit allem durchgekommen. Was, wenn Sie jetzt auffliegen und im Gefängnis landen? Soll er Sie dort besuchen? Lassen Sie mich gehen. Ich verspreche Ihnen …«
    Er stopfte mir den Knebel so tief in den Mund, dass

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