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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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regelmäßig zum Lüften.
    Ich schloss die Tür, hängte meine Tasche über die Klinke und ging über Eichenparkett den hellen Flur entlang. Bis zur ersten Zimmertür waren an beiden Wänden Haken in unterschiedlicher Höhe angebracht, die Mäntel, Jacken, Hüte und Taschen trugen und damit eine Garderobe ersetzten. Auf den ersten Blick wirkten all diese Sachen wie Lieblingsstücke. Vielleicht entstand der Eindruck aber auch nur dadurch, dass jedes einzeln aufgehängt war.
    Gleich links befand sich die Küche. Zu wasserblauen Einbauten und modernen Geräten hatte Theresa Lenhardt einen runden antiken Tisch und moderne Kunststoffstühle kombiniert. Auf einem der Stühle lagen zwei weiche Sitzkissen. Es war der Stuhl, von dem aus sie aus dem Fenster hatte sehen können. Auf dem Tisch standen verschieden dicke Kerzen und eine leere Obstschale. Die Spülmaschine war ausgeräumt und stand offen, ebenso der Kühlschrank. Das gestreifte Raffrollo war halb heruntergelassen. In der Luft hing der Geruch von Essigreiniger. Ich sah zur Wanduhr: Ihre Zeiger waren stehen geblieben. Vielleicht hatte jemand die Batterien entfernt.
    Gegenüber lag das Bad. Es war hell eingerichtet, und die Sonne drang durch den weißen Vorhang. Ich sah mich um. Der Seifenspender auf dem Waschbecken war der einzige Gegenstand, der an Theresa Lenhardt erinnerte.
    Vom Bad aus führte eine Tür ins Schlafzimmer. Über dem Bett, das mit einem taubenblauen Plaid bedeckt war, hing eine neblige Toskanalandschaft in Großformat. Die Wand gegenüber teilten sich Kleiderschrank und Bücherregale, die unter ihrer Last fast zusammenbrachen. Bei einem genaueren Blick stellte ich fest, dass Theresa Lenhardt zwischen all den Buchseiten nicht nach Entspannung gesucht hatte. Unzählige gelbe Zettel markierten Seiten in juristischen Fachbüchern, kriminalistischen Fallanalysen und Büchern über Aussagepsychologie. Medizinische Ratgeber hatte sie ebenso akribisch durchgearbeitet. Die für Schwerkranke typische Ansammlung von Medikamenten fehlte. Auch hier hatte jemand aufgeräumt.
    Auf dem Hocker neben dem Bett stand ein gerahmtes Foto von Fritz Lenhardt. Ich betrachtete es genauer: Er hatte ein schmales Gesicht und eine hohe Stirn, auf der sich zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits deutliche Geheimratsecken abgezeichnet hatten. Die leicht abstehenden Ohren hatte er offensichtlich durch die längeren, seitlich gescheitelten Haare verdecken wollen. Weder sein Dreitagebart noch sein Lachen konnten darüber hinwegtäuschen, dass er das Leben eher von der nachdenklichen Seite genommen hatte. Sah so ein Mörder aus? Die Frage drängte sich mir auf, gleichzeitig wusste ich, wie idiotisch sie war.
    Über den Flur ging ich ins Arbeitszimmer. Von hier aus hatte sie vermutlich den aussichtslosen Kampf für ihren Mann ausgefochten. Ich bildete mir ein, etwas davon spüren zu können, und das ließ mich frösteln. Theresa Lenhardt hatte drei große rechteckige Schreibtische zu einem U gestellt. Die Flächen waren bis auf einen Schnellhefter und ein Telefon leer. Ringsherum standen Regale, auch sie waren leer. Selbst in dem leicht dämmrigen Licht waren die Abnutzungsspuren auf den Regalböden zu erkennen. Solche Spuren waren mir vertraut. Sie entstanden, wenn Aktenordner immer wieder herausgezogen und hineingeschoben wurden. Ich sah mich um, konnte jedoch keinen einzigen Ordner entdecken.
    Ich ging zum Fenster und zog das lachsfarbene Rollo hoch. Es war das einzige Element in diesem Raum, das so etwas wie Wärme ausstrahlte. Mein Blick wanderte hinunter auf die Straße und zu dem schmalen Kanal, der parallel verlief. Unten saß eine alte Frau auf einer Bank und fütterte Enten. Als ich das Fenster kippte, war das aufgeregte Geschnatter der Tiere bis in den zweiten Stock zu hören.
    »Auf geht’s«, murmelte ich, setzte mich auf den ergonomischen Drehstuhl und nahm mir den dünnen Schnellhefter vor. Darauf stand mein Name. Auf der ersten Seite informierte Theresa Lenhardt mich darüber, dass sie sämtliche Akten über den Mordfall an Konstantin Lischka und den Justizirrtum an ihrem Mann vor ihrem Tod habe vernichten lassen. Auf den folgenden Seiten liefere sie mir lediglich eine Zusammenfassung der Fakten. Ich solle mir selbst ein Bild machen und unvoreingenommen an die Sache herangehen. Das Aktenstudium würde viel zu sehr aufhalten und habe schon ihr keinen Schritt weitergeholfen.
    Nachdem ich die einleitenden Absätze überflogen hatte, verlangsamte ich mein Lesetempo, um das zu

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