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Das verstummen der Kraehe

Das verstummen der Kraehe

Titel: Das verstummen der Kraehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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werden können. So etwas ist möglich. Richter und Staatsanwalt haben diese Möglichkeit in der Gesamtschau, wie sie es nannten, jedoch als die weniger wahrscheinliche abgetan. Die Menge an Indizien sei zu einer erdrückenden Beweislast geworden. Das Bild, das sie sich von der Tat gemacht hatten, sei logisch und lasse keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten.
    Vor der Urteilsverkündung hatte der Richter, wie es üblich ist, meinem Mann das Wort erteilt. Fritz stand auf, ihm war anzumerken, dass er all seine Kraft zusammennehmen musste. Er hatte sich seine Worte vorher zurechtgelegt, um nicht zu stammeln. Aber er brachte sie nicht heraus. Er setzte zweimal an und gab schließlich auf.
    Ich lief in den Flur und holte aus meiner Tasche eine Flasche Wasser. Ich lehnte mich gegen die Tür, schraubte den Verschluss auf und trank. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr schloss ich mich der Überzeugung des Gerichts an: Der Verlust von fast zwei Millionen Euro war ein starkes Motiv. Es waren schon Menschen für deutlich weniger Geld umgebracht worden. Noch dazu hatte sein Freund ihn bewusst betrogen. Fritz Lenhardt hätte in jener Nacht tatsächlich von seiner Frau unbemerkt von Obermenzing nach Schwabing fahren können, um seinen Freund zu töten. Nicht zu vergessen die Tatwaffe und das Haar. Es klang alles nach einem eindeutigen Fall. Zu eindeutig? Ich hing immer noch dieser Frage nach, als mein Handy eine SMS anzeigte. Henrike schrieb: Lust auf Prosecco und grünen Tee? Ich könnte um acht bei dir sein . In dem Fall bedeutete Prosecco, dass ausschließlich ich ihn trinken und Henrike sich an ihren grünen Tee halten würde.
    »Aber bitte keine Minute später«, schrieb ich mit einem Lächeln zurück und erhielt als Antwort einen Smiley.
    Henrike kannte meine Macke inzwischen zur Genüge. War ich mit jemandem verabredet und tauchte derjenige nicht pünktlich auf, wurde ich unruhig. Seit sechs Jahren wusste ich aus Erfahrung, dass Menschen verschwanden. Einfach so. Ohne eine Spur. Und dass den anderen das Warten zur Hölle geriet.
    Seit heute Morgen wusste ich nun auch, dass Kerzenlicht wie von Geisterhand verlöschen konnte. Ich schob den Gedanken beiseite und kehrte in Theresa Lenhardts Arbeitszimmer zurück, um weiterzulesen. Wie sie schrieb, war ihr Mann zusammengebrochen, als der Richter das Urteil verlas. Und in ihr sei das Grundvertrauen auf Gerechtigkeit zu Bruch gegangen. Mit mehreren Anwälten habe sie erst um eine Revision und dann um Wiederaufnahme des Verfahrens gekämpft. Gleichzeitig habe sie durch einen Detektiv Konstantin Lischka ausforschen lassen, dabei aber nicht viel mehr herausgefunden als das, was sie längst über ihn wusste – dass er ein Vollblutjournalist und Frauenheld gewesen und wegen der gezogenen Bürgschaft in existenzielle Geldnot geraten war. Seine Recherchen zu einer Reportage über Steuerflüchtlinge waren in der Gerichtsverhandlung bereits zur Sprache gekommen, hatten jedoch keine Anhaltspunkte in der Mordsache ergeben. Ein Kollege von Konstantin Lischka hatte diese Reportage nach seinem Tod übernommen, aber auch bei ihm waren weder Motiv noch Gelegenheit, geschweige denn der Zugang zur Tatwaffe nachweisbar gewesen.
    Also hatte sich der Detektiv im Auftrag von Theresa Lenhardt den Freundeskreis der Lenhardts vorgenommen, genauer gesagt die Menschen, die der Einladung zu jenem vierzigsten Geburtstag gefolgt waren.
    Keiner von ihnen zeigte Verständnis. Keiner von ihnen wollte begreifen, dass es eine reine Verzweiflungstat war, sie von dem Detektiv Martin Cordes ausforschen zu lassen. Sie haben sich nach und nach von Fritz und mir abgewandt. Ausnahmslos. In manchen Momenten kann ich es sogar verstehen. Vielleicht hätte ich an ihrer Stelle genauso gehandelt. Mein Misstrauen hat sie tief verletzt. Vier von ihnen. Einen oder eine wird mein Misstrauen wohl eher beunruhigt haben. Denn einer Sache bin ich mir inzwischen hundertprozentig sicher, Frau Mahlo. Der Mörder oder die Mörderin von Konstantin hat an jenem Abend an unserem Tisch gesessen und mit uns auf Fritz’ vierzigsten Geburtstag angestoßen. Einen Beweis dafür hat Martin Cordes jedoch nicht gefunden.
    Meine Überzeugung hat Fritz nicht retten können. Als klar war, dass es keine neuen Beweise gab, die nötig gewesen wären, um ein Wiederaufnahmeverfahren zu erwirken, erhängte sich mein Mann in seiner Zelle. Von einigen Medien wurde sein Suizid ganz offen als Schuldeingeständnis gewertet. Zu dieser Zeit hielten

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